Was versteht man unter Nießbrauch?
Was versteht man unter Nießbrauch?
Nießbrauch (lateinisch: usus (et) fructus, was soviel bedeutet wie Nutznießung fremden Eigentums), den das Bürgerliche Gesetzbuch in den §§ 1030 – 1089 regelt, kommt der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit sehr nahe und ist ein subjektiv-persönliches Recht. Dem Nießbraucher (Berechtigter) wird über den Nießbrauch das nicht veräußerliche und nicht vererbliche Recht gewährt, die Nutzung aus einer Sache (§ 1030 BGB), einem Recht (§ 1068 BGB) oder einem Vermögen (§ 1085 BGB) – ganz oder teilweise – zu ziehen.
Beim Nießbrauch handelt es sich um ein umfassendes Nutzungsrecht, wobei Entgeltlichkeit verabredet sein kann, den Eigentümer jedoch von der Nutzung der Sache ausschließt. Mit dem Tod des Nießbrauchers erlischt – im Allgemeinen – auch der Nießbrauch.
Dem Berechtigten entsteht durch den Nießbrauch keine Berechtigung, auf die Substanz des jeweiligen Grundstückes einzuwirken. Dies grenzt den Nießbrauch gegenüber dem Eigentum an einem Grundstück deutlich ab. Veranschaulichen lässt sich dies an einem Beispiel: Eine landwirtschaftlich genutzte Fläche darf nicht in eine Kiesgrube umgewandelt werden.
Für die Lasten und Kosten, die dem Nießbraucher durch die ordnungsgemäße Bewirtschaftung eines Grundstückes entstehen, darf er im Gegenzug alle Einnahmen aus dem Grundstück einbehalten und sämtliche Abschreibungsmöglichkeiten (Afa: Abschreibung für Abnutzung) ausschöpfen. Am häufigsten wird Nießbrauch innerhalb der Erbfolge eingeräumt.
Wie ist der Nießbrauch gesetzlich geregelt?
Unter anderem ist der Nießbrauch im Bürgerlichen Gesetzbuch in den §§ 1030, 1036 und 1037 mit folgendem Wortlaut geregelt:
§ 1030 BGB Gesetzlicher Inhalt des Nießbrauchs an Sachen
(1) Eine Sache kann in der Weise belastet werden, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, berechtigt ist, die Nutzungen der Sache zu ziehen (Nießbrauch).
(2) Der Nießbrauch kann durch den Ausschluss einzelner Nutzungen beschränkt werden.
§ 1036 BGB Besitzrecht; Ausübung des Nießbrauchs
(1) Der Nießbraucher ist zum Besitz der Sache berechtigt.
(2) Er hat bei der Ausübung des Nutzungsrechts die bisherige wirtschaftliche Bestimmung der Sache aufrechtzuerhalten und nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft zu verfahren.
§ 1037 BGB Umgestaltung
(1) Der Nießbraucher ist nicht berechtigt, die Sache umzugestalten oder wesentlich zu verändern.
(2) Der Nießbraucher eines Grundstücks darf neue Anlagen zur Gewinnung von Steinen, Kies, Sand, Lehm, Ton, Mergel, Torf und sonstigen Bodenbestandteilen errichten, sofern nicht die wirtschaftliche Bestimmung des Grundstücks dadurch wesentlich verändert wird.
Welche Gebrauchs- und Rechtsvorteile entstehen?
Gemäß § 100 Bürgerliches Gesetzbuch umfasst die Nutzung des Nießbrauches sogenannte Gebrauchs- oder Rechtsvorteile sowie die wörtlich so benannten "Früchte an einem Recht oder einer Sache".
Dies betrifft hauptsächlich
- den Eigentumserwerb an der Sache sowie den Gewinn von Erzeugnissen aus der Sache (BGB: § 99 Abs. 1, § 100)
- die Nutzung an der Sache mit sämtlichen Möglichkeiten des Gebrauchs
- Erträge, die aufgrund des Rechtsverhältnisses erzielt werden
Der Nießbrauch ermöglicht keine Beschränkung der Sachnutzung auf eine bestimmte Nutzungsart. Demnach stehen dem Nießbraucher sämtliche Pacht- und Mietzinseinnahmen selbst in speziellen Fällen zu. Ein solcher Fall wäre beispielsweise ein Grundstück, das im Vorfeld der Bestellung des Nießbrauchs bereits vermietet war.
Nach Entstehung des Rechts auf Nießbrauch ist der Nießbraucher berechtigt, selbstständig einen Pacht- und/oder Mietvertrag abzuschließen. Pacht und Miete stellen keine Überlassung der Ausübung, wie diese in § 1059 Abs. 2 BGB geregelt ist, dar. § 1059d BGB sieht Folgendes vor:
§ 1059d BGB Miet- und Pachtverhältnisse bei Übertragung des Nießbrauchs
Hat der bisherige Berechtigte das mit dem Nießbrauch belastete Grundstück über die Dauer des Nießbrauchs hinaus vermietet oder verpachtet, so sind nach der Übertragung des Nießbrauchs die für den Fall der Veräußerung von vermietetem Wohnraum geltenden Vorschriften der §§ 566 bis 566e, 567a und 567b entsprechend anzuwenden.
Welche Regelungen bestehen hinsichtlich der Übertragbarkeit?
Im Baurecht werden Nießbraucher den Grundstückseigentümern als Nachbarn gleichgestellt. Wie im Falle anderer dinglicher Grundstücksbelastungen erfolgt auch die Bestellung eines Nießbrauchs nach § 873 Bürgerliches Gesetzbuch, durch Einigung und Eintragung in das Grundbuch. Die §§ 926 und 1031 Bürgerliches Gesetzbuch legen nahe, dass der Nießbrauch sich auch auf Zubehör am Grundstück erstreckt. Einigung und Übergabe begründen gemäß § 1032 BGB den Nießbrauch an beweglichen Sachen. Im Übrigen kann der Nießbrauch gemäß § 1033 BGB an beweglichen Sachen auch durch Ersitzung begründet werden.
Exkurs | Unter der Ersitzung (lateinisch: usucapio) versteht man im Sinne des bürgerlichen Rechts unter Voraussetzung von Zeitablauf und Eigenbesitz, den Erwerb an Sachen. Hat beispielsweise eine Person eine bewegliche Sache für die Dauer von 10 Jahren in Eigenbesitz, erwirbt sie daran das Eigentum. |
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Für rechtsfähige Personengesellschaften sowie juristische Personen, besteht, im Unterschied zu natürlichen Personen (gemäß § 1059 BGB) die Möglichkeit, Nießbrauch zu übertragen. Für diese Übertragbarkeit gelten bestimmte Regelungen, die im Bürgerlichen Gesetzbuch in den §§ 1059a ff (Rn. 355) geregelt sind. Demnach endet der Nießbrauch unter den folgenden Umständen:
- Mit dem Erlöschen der rechtsfähigen Personengesellschaft oder der juristischen Person. Weitere Regelungen zu diesem Fall sieht § 1061 BGB vor.
- Mit dem Ableben (Tod) des Nießbrauchers.
Für Ausnahmefälle, in denen das Nießbrauchrecht für rechtsfähige Personengesellschaften oder juristische Personen nicht übertragbar sein sollte, gilt folgende Regelung: Die Ausübung, also die Verpachtung oder Vermietung, kann einem anderen übertragen werden. Vertraglich kann diese Überlassung der Ausübung des Nießbrauchs jedoch ausgeschlossen werden. Dinglich gesichert werden kann dieser Ausschluss durch die Eintragung in das Grundbuch. Unzulässig ist im Zuge des Nießbrauchs, den Nießbraucher im Nutzungsziehungsrecht seines Nießbrauchs zu beschränken, wobei es sich beispielsweise um Mietwohnungen, also einzelne Teile eines Gebäudes, handeln kann.
Grundsätzlich hat der Nießbraucher auf eigene Kosten für ordnungsgemäße Bewirtschaftung, bzw. Instandhaltung Sorge zu tragen. Dies schließt gemäß § 1036 BGB, sofern nichts anderes vereinbart wurde, sowohl privatrechtliche als auch öffentliche Lasten wie beispielsweise Gebäudeversicherung oder die Grundsteuer mit ein. Dies kommt selbst dann zum Tragen, wurde ein unentgeltlicher Nießbrauch an einem Grundstück eingetragen wurde.
Welche Formen des Nießbrauchs gilt es zu unterscheiden?
Der Nießbrauch kann wie folgt ausgestaltet sein:
- Der Bruchteilsnießbrauch beschränkt den Nießbrauch auf einen (Bruch-)Teil des Grundstücks.
- Von Zuwendungsnießbrauch spricht man in folgendem Fall: Es kommt zu einer Bestellung (Zuwendung) des Nießbrauches durch den Grundstückseigentümer. Im Hinblick auf Entgeltleistungen sind beim Zuwendungsnießbrauch drei Formen zu unterscheiden:
1. der entgeltliche Zuwendungsnießbrauch
2. der in Teilen entgeltliche Zuwendungsnießbrauch und
3. dem unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauch.
- Vorbehaltsnießbrauch: Diese Form des Nießbrauchs besteht, wird zum selben Zeitpunkt einer Grundstücks-Übertragung ein Nießbrauchrecht für den bisherigen Eigentümer an dem übertragenen Grundstück bestellt.
- Im Falle des Quotennießbrauch steht dem Nießbraucher ein bestimmter Anteil, also eine bestimmte Quote, an den Einkünften des Grundstücks zu.
- Dem Sicherungsnießbrauch liegt die Vereinbarung des dinglichen Nutzungsrechts zugrunde. Das dingliche Nutzungsrecht wiederum dient zur dinglichen Absicherung der Leistungen, die dem Berechtigten versprochen wurden. Dabei hat der Nießbraucher keine Möglichkeit, Umfang und Art zu beeinflussen.
- Vermächtnisnießbrauch: Wird einem Dritten aufgrund eines letzten Willens des Grundstückseigentümers der Nießbrauch an einem Grundstück durch einen Erben eingeräumt, spricht man vom Vermächtnisnießbrauch.
Beeinflusst der Nießbrauch die Wertermittlung?
Bei der Wertermittlung eines mit Nießbrauch belasteten Grundstücks ist zum einen das Alter des Nießbrauchers, zum anderen der Geldwert der zustehenden Nutzung maßgeblich. Das Alter des Nießbrauchers spielt aufgrund folgender Umstände eine Rolle: Wie auch beim Altenteils- und Wohnrecht hängt die Laufzeit des Rechts von der Lebenserwartung des Berechtigten ab. Diese Ungewissheit stellt im Falle eines möglichen Grundstücksverkaufs eine Unsicherheit dar, die zur Folge hat, dass Grundstücke mit derartigen Belastungen höchst selten veräußert werden. Der neue Eigentümer könnte zudem, solange der Nießbraucher am Leben ist, nicht einmal Erträge aus dem Grundstück ziehen.
Eine Marktanpassung aufgrund eines solchen Umstandes vorzunehmen, ist aufgrund mangelnder Datengrundlage, für einen Sachverständigen lediglich „nach Gefühl“ möglich. Würde eine rechnerische Wertermittlung aufgrund marktgerechter Daten wie z.B. Kosten, Lasten, marktgerechte Mieten, unbelasteter Verkehrswert, etc., erfolgen, würde das Resultat entsprechend der Marktlage ausfallen.
Die Wertermittlung einer Leibrente kann mit der Wertermittlung des Nießbrauchs verglichen werden. Die Ausnahme bildet jedoch der Nießbrauch juristischer Personen: Hier werden einer Berechnung der Nießbrauchrechte ewige Zeitrenten zugrunde gelegt.