Was versteht man unter Grenzbebauung? - Wie berechnet man Abstandsflächen?

Inhaltsverzeichnis

Was sind Abstandsflächen und welchen Zweck haben sie?

Die Abstandsfläche spielt in der Praxis eine wichtige Rolle. Sie ist die gedanklich nach außen geklappte Fläche einer Außenwand. Die Abstandsfläche dient einer ausreichenden Belüftung und Belichtung des Gebäudes und besteht vor allem aufgrund bauschutzrechtlicher Gründe und der Steigerung der Wohnqualität.

Bei einer offenen Bauweise wird durch die Abstandsfläche ein sogenannter Sozialabstand zum Nachbargrundstück eingehalten. Verschiedene Regelungen dafür stehen in der Landesbauordnung der Bundesländer, im Nachbarschaftsrecht und in den Bebauungsplänen.

Wenn Abstandsflächen vorgeschrieben sind, dürfen dort keine oberirdischen Bebauungen entstehen. Darunter fallen zum Beispiel Gebäude oder Anlagen mit einer ähnlichen Wirkung, beispielsweise Lärmschutzwände.

Die Abstandsflächen müssen auf dem Grundstück selbst liegen. Es gibt Ausnahmen bei öffentlichen Flächen wie Straßen. In diesem Fall dürfen die Flächen bis zur Mitte der öffentlichen Fläche reichen.

Unbeachtet bleiben die Abstandsflächen, wenn aus planungsrechtlichen Vorschriften und anderen Gründen das Gebäude an die Grundstücksgrenze gebaut werden darf oder soll. Dies können beispielsweise Vorschriften der Bauweise oder die Zustimmung des Nachbarn sein.

Wie ist die Tiefe der Abstandsflächen geregelt?

Die Tiefe der Abstandsfläche bemißt sich nach der Wandhöhe; sie wird senkrecht zur jeweiligen Wand gemessen. Als Wandhöhe gilt das Maß vom Schnittpunkt der Wand mit der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluß der Wand.

Dieser Auszug aus der Landesbauordnung Baden-Württembergs beschreibt in §5 Absatz vier die Tiefe der Abstandsflächen. Diese Tiefe wird mit einem gewissen Faktor multipliziert, das Ergebnis ist die Abstandsfläche. Der Faktor unterscheidet sich in den verschiedenen Bundesländern. In Bayern wird beispielsweise mit der gesamten Wandfläche – also mit dem Faktor 1 – gerechnet, während sie in Brandenburg mit dem Faktor 0,5 multipliziert wird.

Gibt es unterschiedliche Höhen des Geländes, wird für die Berechnung das Mittel der Geländeoberfläche verwendet. 

Achtung! In einigen Fällen kommt es vor, dass Bauherren mit Aufschüttungen versuchen die Gebäudeoberfläche zu erhöhen, sodass sich die Abstandsfläche verringert. Bei der Berechnung finden jedoch nur die Aufschüttungen Beachtung, die einen gerechtfertigten Grund haben.

Weist die Dachhaut unterschiedliche Höhen auf, werden die verschiedenen Höhen jeweils für einen eigenen Abschnitt herangezogen. Das führt dazu, dass ein Haus an unterschiedlichen Stellen unterschiedliche Abstände zum Nachbargrundstück aufweisen kann.

In allen Bundesländern gibt es Mindestabstandsflächen, die eingehalten werden müssen. Dies bedeutet, wenn die berechnete Abstandsfläche unter die Mindestabstandsfläche fällt, muss dennoch der vorgegebene Abstand eingehalten werden. Dieser beträgt meist zwischen 2,5 und drei Meter.

Fazit: Eine Abstandsfläche lässt sich über die Wandhöhe bestimmen. Diese wird mit einem Faktor multipliziert, der sich in jedem Bundesland unterscheidet. Allgemein kann gesagt werden:

  • Faktor 0,2 der Wandhöhen in Kerngebieten, Dorfgebieten und urbanen Gebieten
  • Faktor 0,125 der Wandhöhe in Industrie- und Gewerbegebieten

Dabei ist in jedem Fall eine Mindestabstandsfläche einzuhalten.

Wie werden Dächer in der Abstandsflächenberechnung berücksichtigt?

Dächer werden je nach Bundesland auf unterschiedliche Weise mit in die Abstandsflächenrechnung miteingerechnet. Meist gilt: Dächer bis 70 Grad Dachneigung werden zu einem Viertel oder einem Drittel eingerechnet, während Dächer über 70 Grad voll dazugerechnet werden.

Wie berechnet man die Abstandsflächen?

Die Abstandsfläche lässt sich über folgende Formel bestimmen:

TA = Fx(H+FDxHD)

TA = Abstandsfläche, angegeben in m
F = in der jeweiligen Landesbauordnung vorgegebener Faktor
H = Wandhöhe, angegeben in m
FD = Dachhöhe, angegeben in m
HD = in der jeweiligen Landesbauordnung vorgegebener Teilfaktor des Dachs

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Welche Ausnahmen gibt es bei der Abstandsflächenberechnung?

Generell können Balkone und Erker mit bestimmten Abmaßen von der Berechnung ausgeschlossen werden. Dies gilt ebenso für untergeordnete Bauteile wie Dachvorsprünge oder Terrassenüberdachungen.

Es gibt dabei jedoch Ausnahmen: Balkone und Erker dürfen zum Beispiel nur bei der Berechnung unberücksichtigt bleiben, wenn sie sich nicht über die gesamte Gebäudebreite oder -höhe erstrecken.

Nachträglich aufgebrachte Wärmedämmungen haben in manchen Bundesländern Auswirkungen auf die Abstandsflächen. Meist gibt es dabei Ausnahmen, sodass bei einer bestimmten Stärke der Wärmedämmung die Abstandsflächenregel nicht verletzt wird. So bleibt die Möglichkeit bestehen, nachträgliche Wärmedämmungen anzubringen, ohne gegen die Abstandsflächenregelungen zu verstoßen. Allerdings schränkt die Regelung die Wahl der Wärmedämmung stark ein.

Garagen und Nebengebäude wie Gewächshäuser oder Gartenhäuser bleiben von der Regelung ebenso unberührt. Die Vorschriften sind in jedem Bundesland verschieden. Generell sind diese Anlagen von der Vorschrift ausgenommen, wenn sie eine gewisse Größe nicht überschreiten und auch keine zusätzlichen Räume, wie Hobbyräume, haben.

Die Abstandsflächen sind zu vernachlässigen, wenn es vorgegebene Bebauungen gibt. In der Innenstadt wird meist in geschlossener Bauweise gebaut. Um hier das städtebauliche Erscheinungsbild zu wahren, muss diese Bauweise fortgeführt werden und Abstandsflächen bleiben unberücksichtigt.

Diskutabel sind diese Vorgaben, wenn sich das Vorhaben in einem Gebiet befindet, in dem sowohl offene als auch geschlossene Gebäude vorkommen. Hier wird die Entscheidung dem Eigentümer selbst überlassen.

 

Kann der Nachbar die Zustimmung zur Grenzbebauung verweigern?

Soll näher an die Grundstücksfläche gebaut werden, als erlaubt ist, kann der Nachbar dabei großen Einfluss auf das Bauvorhaben haben.

In solch einem Fall sieht die Bauordnung vor, dass der Nachbar die nicht vorhandenen Abstandsflächen des Nachbargebäudes auf sein eigenes Grundstück übernimmt. Über einen Vertrag vereinbart, ist dies meist mit einer Ausgleichszahlung an den Nachbarn verbunden. Die Übernahme wird dabei im Baulastenverzeichnis vermerkt. Die Zustimmung zur Übernahme der Abstandsflächen bezieht sich immer nur auf den jeweiligen Bauantrag, verliert sozusagen beim Abriss des Gebäudes seine Wirksamkeit.

Was geschieht bei einem Verstoß der Abstandsflächenregelung?

Ein Gebäude, dass die Abstandsflächen nicht einhält, ist nach den Bestandschutzbestimmungen gültig, wenn es den zum Zeitpunkt der Erbauung gültigen Rechten entsprach.

Tritt dieser Fall nicht ein, kann es dazu führen, dass das Gebäude oder die Anbauten wieder abgerissen werden müssen.

Bei einem Verstoß ist prinzipiell der Nachbar dafür verantwortlich, Einspruch zu erheben. Wenn er dies verpasst, kann er jedoch eine Überbaurente verlangen. Darunter wird eine Zahlung vom Nachbarn verstanden, der die Abstandsfläche nicht berücksichtigt hat. Sie muss bis zum Abbruch der Anlage gezahlt werden.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, dass der Eigentümer die Grundstücksrechte vom Nachbarn abkauft.

Wurden die Regelungen ohne grobe Fahrlässigkeit verletzt, muss der Nachbar die bauliche Anlage dulden. Er kann jedoch eine finanzielle Entschädigung verlangen.

Mehr zum Thema Grundstücksgrenze können Sie in unserem Artikel Grenzstein: Wie finde ich die Grundstücksgrenze? nachlesen.

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