Das Stockwerkeigentum in der Schweiz: Was ist möglich?
1. Wie entstand der Gesetzesartikel zum Stockwerkeigentum?
Es ist noch gar nicht lange her, als der Gesetzesartikel über das Stockwerkeigentum in der Schweiz 1965 ins Zivilgesetzbuch aufgenommen wurde. Grund für die Einführung dieses Artikels (Artikel 712a ff. ZGB) war das sogenannte Akzessionsprinzip. Als 1912 das Zivilgesetzbuch (ZGB) eingeführt wurde, wurde auch das Akzessionsprinzip in der Eigentumsordnung zwingend verankert. Gemäß diesem Grundsatz teilen die Bestandteile eines Objektes (Immobilie oder eine bewegliche Sache) das rechtliche Schicksal. Das bedeutet, dass gestützt auf Artikel 642b ZGB Eigentümer einer Sache auch Eigentümer an all ihren Bestandteilen ist. Eine Begründung von Stockwerkeigentum – wie wir es heute kennen – war somit nicht möglich. Um den Wunsch nach Eigentum an Wohnungen gerecht zu werden, wurde schließlich der Artikel über das Stockwerkeigentum ins Gesetz aufgenommen. Zusätzlich zu diesem einen Gesetzesartikel werden das Vereinsrecht (Artikel 60 bis 79 ZGB) sowie die Artikel über das Miteigentum (Artikel 646 bis 651 ZGB) herangezogen.
2. Was bedeutet Stockwerkeigentum?
Der Begriff Stockwerkeigentum ist etwas verwirrend, denn es muss sich dabei weder um ein ganzes Stockwerk noch um alleiniges Eigentum handeln. Stockwerkeigentum – kurz STWE – stellt eine besondere Form des Miteigentums dar. Jeder Miteigentümer erhält für seine Wohnung ein Sonderrecht, somit ist er Eigentümer dieser Stockwerkeigentumseinheit. Dadurch kann jeder Stockwerkeigentümer über seinen Anteil verfügen – es zum Beispiel mit einer Hypothek belasten oder ein Wohnrecht vergeben.
Es gibt zwei verschiedene Arten von Stockwerkeigentum:
- das horizontale Stockwerkeigentum
- und das vertikale Stockwerkeigentum.
Das horizontale Stockwerkeigentum kommt häufiger vor. Bei einem Mehrfamilienhaus wird damit für jede einzelne Wohnung ein Sonderrecht gebildet.
Das vertikale Stockwerkeigentum tritt dann in Kraft, wenn sich mehrere Einfamilienhäuser beispielsweise einen gemeinsamen Weg, einen Spielplatz oder eine Tiefgarage teilen.
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3. Was ist das Sonderrecht beim Stockwerkeigentum?
Der Miteigentumsanteil gibt dem Miteigentümer (Stockwerkeigentümer) das Sonderrecht, bestimmte Teile eines Gebäudes ausschließlich zu benutzen und innen auszubauen. Folgende Voraussetzungen sind zu erfüllen, damit das Sonderrecht für eine Stockwerkeinheit gebildet werden kann:
- Der Bereich muss in sich abgeschlossen sein, also durch Mauern oder sonstige feste, nicht einfach demontierbare Abgrenzungen umschlossen sein.
- Der Bereich muss einen eigenen Zugang haben; er muss von gemeinschaftlichen Teilen – innen oder außen – direkt erreicht werden können.
- Der Bereich muss eine wirtschaftliche Einheit sein; eine funktionale Eigenständigkeit haben.
Stockwerkeigentum ohne Sonderrecht gibt es nicht!
Wichtig zu wissen ist, dass Sonderrecht kein Eigentum ist, sondern – wie es der Name sagt – ein Recht, das eine eigentumsähnliche Stellung einnimmt. Sonderrecht kann auch an einem Büro oder sogar an einer Einzelgarage begründet werden.
Insbesondere folgende Teile werden zu Sonderrecht ausgeschieden:
- die inneren, nicht tragenden Zwischenwände
- die Fußböden und der Deckenverputz
- die Verkleidung der Wände und Fensterrahmen innerhalb der Sonderrechtsräume
- eingebaute Schränke
- die Türen in den Sonderrechtsräumen
- Küchen- und Badezimmereinrichtungen
- Boiler, Öfen, Radiatoren und offene Kamine (Cheminées)
- Leitungen, Rohre und Kabel von ihren Abzweigungen von der gemeinschaftlichen Leitung an
4. Was ist das ausschließliche Benutzungsrecht?
Gemäß Gesetz können Teile, die die äußere Gestalt und das Aussehen des Gebäudes bestimmen, nicht zum Sonderrecht ausgeschieden werden. Das betrifft somit zum Beispiel
- Balkone,
- Gartensitzplätze,
- Außenparkplätze
- und Fenster.
Hierfür gibt die ausschließlichen Benutzungsrechte – auch Sondernutzungsrechte genannt. Demnach verzichtet der Eigentümer des Grundstückes, also die Stockwerkeigentümer-Gemeinschaft, auf die Nutzung eines gemeinschaftlichen Teiles zugunsten des Benutzungsberechtigten.
Zwingend gemeinschaftliche Teile – an diesen können keine Sonderrechte begründet werden – sind:
- Boden und Baurecht
- Zugangswege
- Parkplätze im Freien
- Fundament
- Mauerwerk
- Tragbalken
- Dach
- Keller
Folgende gemeinschaftliche Teile im äußeren Bereich werden üblicherweise als ausschließliche Benutzungsrechte deklariert – andere Regelungen im Reglement sind möglich:
- Innenbereich der Balkone, Loggias, Wintergärten, Sitzplätze (exklusive Geländer, Brüstung etc.)
- Die Zugangstüren zu den Stockwerkeinheiten, inklusive Türklinken und Türklingeln
- Fenster und Dachfenster inklusive Rahmen
- Schaufenster
- Jalousien, Rollläden und Sonnenstoren
- Briefkasten
5. Wozu dient die Wertquote im Stockwerkeigentum?
Mit der Wertquote wird der Anteil eines einzelnen Stockwerkeigentümers beschrieben. Bereits mit der Begründung des Stockwerkeigentums müssen die räumlichen Abgrenzungen und der Anteil jedes Stockwerks am Wert der Liegenschaft (oder des Baurechts) in Bruchteilen mit einem gemeinsamen Nenner angegeben werden. Die Wertquote bezieht sich sowohl auf die Rechte als auch auf die Pflichten des Stockwerkeigentümers und regelt
- die Eigentumsverhältnisse an der Gesamtliegenschaft
- die Feststellung der Beschlussfähigkeit bei einer Versammlung
- die Bemessung der Stimmkraft, sofern nicht nur nach Köpfen, sondern auch nach Anteilen abgestimmt wird
- die Aufteilung der gemeinschaftlichen Kosten
Ist im Reglement der Stockwerkeigentümer-Gemeinschaft nichts anderes festgelegt, so werden anfallende Kosten nach Wertquoten verteilt. Dasselbe gilt für Leistungen, die von Dritten zugunsten der Gemeinschaft erbracht werden. Dazu zählen zum Beispiel Zinsen oder die Versicherungssumme, die bei Zerstörung des Gebäudes ausbezahlt wird.
Nicht maßgebend ist die Quote für den Verkehrswert oder den Kaufpreis einer Einheit.
Eine Änderung der Wertquote bedarf der Zustimmung aller unmittelbar betroffenen Eigentümer und einem Beschluss der Versammlung.
6. Wie wird die Wertquote berechnet?
Eine gesetzliche Vorschrift zur Berechnung der Wertquote gibt es nicht. Die Bestimmung der Wertquote erfolgt daher durch den Begründer des Stockwerkeigentums und sollte möglichst objektiv und nachvollziehbar sein. Die Grundfläche oder das Volumen der einzelnen Miteigentumsanteile inklusive den dazugehörenden Nebenräumen und ausschließlichen Benutzungsrechten sind die wichtigsten Faktoren. Weitere Faktoren zur Gewichtung können beispielsweise sein:
- Lage und Höhe des Stockwerkes
- Besonnung und Aussicht
- Immissionen, wie Straßenlärm
Nicht berücksichtigt werden sollten der Zustand der einzelnen Einheiten; wie Küchen- und Badezimmereinrichtung oder Bodenbeläge.
7. Das Reglement der Gemeinschaft: Nutzungs- und Verwaltungsordnung
Das Gesetz stellt nur eine rechtliche Rahmenordnung der wichtigsten Rechte und Pflichten auf. Um gezielt auf die jeweilige Stockwerkeigentümer-Gemeinschaft eingehen zu können, wird ein Reglement aufgestellt. Obwohl das Reglement eine sehr große Bedeutung hat, besteht keine gesetzliche Verpflichtung, ein solches zu erstellen. In der Praxis wird dieses meistens bereits beim Begründungsakt integriert und im Grundbuch angemerkt.
Das Reglement regelt die einzelnen Rechte und Pflichten der Stockwerkeigentümer, stellt also – salopp gesagt – die Spielregeln dar. Hier sollten folgende Punkte festgehalten werden:
- Umschreibung des Stockwerkeigentumsobjekts (was ist Sonderrecht, was sind gemeinschaftliche Teile)
- Zweckbestimmung der gemeinschaftlichen Teile
- Bestimmungen über den Unterhalt, Um- und Wiederaufbau
- Ordnung der Beschlussfassung
- Stellung und Aufgaben des Verwalters
- Verteilung der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten
Um Vorschriften beispielsweise in Bezug auf die Benutzung einer Waschküche, Ruhezeiten und dergleichen zu regeln, kann eine Hausordnung aufgestellt werden.
8. Die Organisation der Gemeinschaft
Die Stockwerkeigentümer-Versammlung ist das einzige zwingend vorgesehene Organ der Stockwerkeigentümer-Gemeinschaft.
Mindestens einmal im Jahr hat eine Versammlung stattzufinden. Dabei muss die Einladung innerhalb einer im Reglement festgelegten Frist schriftlich erfolgen, mit Angabe der Verhandlungspunkte (Traktanden), Vorlage der Jahresrechnung und eines Kostenvoranschlages für das kommende Jahr. Die Versammlung wird üblicherweise vom Verwalter einberufen.
Die Versammlung ist beschlussfähig, wenn die Hälfte aller Stockwerkeigentümer, die zugleich die Hälfte der Wertquoten besitzen, anwesend oder vertreten sind.
Je nach Art des Beschlusses gibt es folgende Stimmrechte:
- Einfaches Mehr (Mehrheit der anwesenden oder vertretenen Kopfstimmen)
- Qualifiziertes Mehr (Mehrheit der anwesenden oder vertretenen Kopfstimmen sowie die Mehrheit aller Wertquoten, also auch der Eigentümer, die nicht an der Versammlung teilnehmen)
- Einstimmigkeit
Vor allem bei der Organisation ist die Stockwerkeigentümer-Gemeinschaft auf der sicheren Seite, wenn diese Aufgabe einer Immobilienverwaltung aus der Region übertragen wird, die objektiv und fachkundig die Gemeinschaft berät und vertritt.
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