HOAI – Ein historischer Rückblick auf die 150-jährige Geschichte
Die HOAI - eine dynamische Verordnung
Die Erfordernis der aktuellen Novellierung hat die HOAI einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 04.07.2019 (Az. C-377/17) zu verdanken. Dieser entschied bereits im Jahr 2019, dass die Verbindlichkeit der Mindest- und Höchstsätze (oder wie es im zukünftigen Sprachjargon heißt: „Basishonorarsatz bzw. unterer Honorarsatz“ und „oberer Honorarsatz“) gegen das Europarecht verstößt.
Das Alte geht, das Neue kommt. Die HOAI ist keinesfalls statisch, sondern eine sehr dynamische Verordnung. In den vergangenen 150 Jahren wurde sie fortwährend novelliert, den Veränderungen und Anforderungen der Zeit angepasst und weiter entwickelt.
Die historische Entwicklung der HOAI
Die HOAI, so wie wir sie heute kennen, feiert punktgenau am 01.01.2021 ihren 50-sten Geburtstag. Es ist ein wunderbarer Anlass, um sich die historische Entwicklung (soweit rekonstruierbar) der deutschen Honorarordnung für Architekten und Ingenieure nochmals genauer vor Augen zu führen.
Alles begann im Jahre des Herren 1871 mit der ersten privaten Honorarordnung. Diese beschränkte sich damals nur auf die Honorierung der Leistungen von Architekten. Die Gebührenordnung fand Anklang, da sie von nun an eine Orientierungshilfe darstellte und eine neutrale Verhandlungsgrundlage schaffte. Die Honorarordnung für Ingenieure ließ einige Jahre auf sich warten. Erst im Jahr 1878 wurde diese in Anlehnung an die Gebührenordnung für Architekten veröffentlicht.
Was versteht man unter der Hamburger Norm?
Kurze Zeit später kam es zur Zusammenführung. Der Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine fusioniert im Jahr 1888 beiden Honorarordnungen zu einer einheitlichen Norm, der sogenannten „Hamburger Norm“. Doch diese Verordnungsallianz änderte nichts an der Verbindlichkeit der Norm, denn sie hatte weiterhin einen unverbindlichen Charakter und diente als Orientierungshilfe einer angemessenen Honorierung (vgl. Rückführung des Preisrechtscharakter der HOAI 2021 zurück zum Empfehlungs- bzw. Orientierungscharakter bei Bestimmung der Honorarhöhe für Grundleistungen der Architekten und Ingenieure). Dreizehn Jahre lang erlangte die Hamburger Norm in der ursprünglichen Fassung ihre deutschlandweite Verbreitung und Anerkennung.
Die erste Überarbeitung der Norm fand im Jahr 1901 statt. Ein weiterer Meilenstein erwartete die Hamburger Norm bereits zwei Jahre später. Nach der Gründung des Bundes Deutscher Architekten (BDA) am 21. Juni 1903 verpflichtete der BDA seine Mitglieder zur Anwendung der Norm. Weitere sieben Jahre vergingen, bis der BDA beschloss, die Gebührenordnung zu überarbeiten. Der Novellierungsvorgang dauerte weitere vier Jahre und erstreckte sich vom 1910 bis 1914. Der Ausbruch und Verlauf des 1. Weltkrieges stellten die Neufassung der Gebührenordnung in den historischen Schatten, so dass die bis dahin erfolgten Änderungen als obsolet angesehen und in unausweichlicher Folge nie offiziell in Kraft treten konnten.
Die HOAI am Ende des 1. Weltkrieges
Am 11.11.1918 endete endlich der 1. Weltkrieg. Die Nachwirkungen des Ereignisses eines bis dahin nie gekannten Ausmaßes waren verheerend, doch der BDA widmete sich dennoch erneut der Neufassung der Gebührenordnung und konnte die fertig gestellte Fassung zum 01.01.1920 endlich offiziell veröffentlichen. Die zerstörerische Natur des 1. Weltkrieges zog ihren Schatten noch lange hinter sich her und belastete sowohl die deutsche Wirtschaft als auch die Geldpolitik. Der Friedensvertrag von Versailles verpflichtete Deutschland zu Reparationszahlungen an die Siegermächte, weltweite Konjunktureinbrüche belasteten das ohnehin angeschlagene Finanzsystem zusätzlich und als kausale Folge lösten diese Ereignisse eine Kaskade des unbändigen „Drucken von Geld“ aus.
In den Jahren 1921 und 1922 musste es somit zu einer Überarbeitung der Gebührenordnung kommen, die aber nicht von inhaltlicher Natur war. Die inflationsbedingte Anpassung der Tafelwerte war die Folge der allgemeinen Ungleichgewichte der Wirtschaft und des hyperinflationären Geldsystems.
Die neue Gebührenordnung für Architekten (GOA) tritt in Kraft
1923 trat die neue Gebührenordnung für Architekten (GOA) in Kraft und wies eine bis dahin nie verwendete „Innovation“ auf: Die neue GOA genoss zum ersten Mal die Reichsanerkennung, die auf der Abstimmung mit dem Reichsfinanzministerium fundierte. Drei Jahre später - im Jahr 1926 - wurde eine neue Fassung der Gebührenordnung veröffentlicht. Diese behielt ihren privaten Rechtscharakter weiterhin bei. Im Jahr 1932 erfolgte eine grundlegende inhaltliche Novellierung der Gebührenordnung. Die Bauklasse VII (Kleinstwohnungen und Typenbauten) wurden eingeführt. Der laut der GOA 1932 gewährte Stundensatz eines Architekten betrug übrigens 8 Reichsmark, konnte jedoch zwischen dem Auftragnehmer und dem Auftraggeber (meist nach unten) nachverhandelt werden.
Ab dem Jahr 1937 erhielt die Gebührenordnung einen noch höheren Stellenwert. Die von der Reichskammer der bildenden Künste veröffentlichte Novelle war nun auch für die Auftraggeber verpflichtend anzuwenden. Im Jahr 1942 trat die Anordnung über die Gebühren der Architekten zum ersten Mal in Kraft. Nach dem Ende des 2. Weltkrieges und dem Ende des Deutschen Reiches wurde die Anordnung außer Kraft gesetzt. Ihre Anwendung fand jedoch weiterhin mit dem Anspruch eines inoffiziellen Charakters jedoch frei von jeglicher rechtlicher Legitimation Anwendung. Im Jahr 1950 trat die neue Gebührenordnung für Architekten in Kraft und wurde nun wieder offiziell angewandt. Sechs Jahre später erfolgte die erste und bis dahin die letzte Novellierung der Gebührenordnung.
Die heute geltende HOAI - wie wir sie kennen
Am 01.01.1977 trat die erste Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) - die sogenannte Urfassung der HOAI - in Kraft. Diese Honorarordnung bildete den Grundstein der ab dem Zeitpunkt geltenden HOAI wie wir sie kennen. Im Laufe der darauffolgenden Jahrzehnten bewies die HOAI, dass sie keine statische Verordnung ist, sondern sich stets einem Wandel unterzieht. Immer darauf bedacht, den Ansprüchen und Anforderungen des geschichtlichen und wirtschaftlichen Fortschritts gerecht zu werden und diesem Stand zu halten.
Mit den Jahren erlebte die HOAI eine Reihe von unausweichlichen Novellierungen:
- Am 01.01.1985 trat die 2. Novelle in Kraft,
- am 01.04.1988 folgte die 3. Novelle,
- am 01.01.1991 folgte die 4. Novelle und
- am 01.01.1996 trat die 5. Novelle in Kraft
Bedingt durch die Einführung des Euros musste die 5. Novelle der HOAI im Jahr 2002 durch die Währungsreform bedingte Umrechnung angepasst werden. Außer der Umrechnung der Währungseinheiten von der Deutschen Mark (DM) zum Euro (€) erhielt die HOAI Fassung von 2002 jedoch keine inhaltlichen Veränderungen.
Die HOAI im Europäischen Recht
Die inhaltliche Novellierung der HOAI ließ lange auf sich warten, bis am 18.06.2009 - also 13 Jahre nach der Einführung der letzten Fassung - die 6. Novelle der HOAI in Kraft trat. Schon in der damaligen Zusammensetzung erfüllte die Verordnung die Voraussetzungen, um die europarechtlichen Leitplanken durchzubrechen und sprichwörtlich aus der Kurve zu fliegen. Um ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesregierung zu umgehen, das auf dem Vorwurf eines Verstoßes gegen die Dienstleistungsrichtlinie der EU beruhte, musste die HOAI grundlegend umgeändert werden. Als Stein des Anstoßes galt nach wie vor die Vorgabe der Mindest- und Höchstsätze.
Am 17.07.2013 trat die 7. Novelle der HOAI in Kraft und behielt die Regelungen der Mindest- und Höchstsätze weiterhin bei. Diesem Umstand geschuldet leitete die EU-Kommission die rechtlichen Schritte ein und stieß das lange angedrohte Vertragsverletzungsverfahren mit dem Vorwurf des Verstoßes gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV, Art. 15 Buchstabe g DL-RL) an.
Die von der EU-Kommission gegenüber der Bundesregierung aufgestellten Forderungen wurden nicht eingehalten, so dass kein anderer Weg als der einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) übrig blieb. Mit dem Urteil vom 04.07.2019 (Az. C-377/17) gab der EuGH der EU-Kommission Recht und bestätigte den Verstoß der Verbindlichkeit des Preiskorridors zwischen den Mindest- und Höchstsätzen der HOAI gegen das Europarecht. Dem Beschluss des EuGH Folge leistend, wurde die Bundesregierung zum Handeln gezwungen. Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure durfte in der bisherigen Form nicht weiter bestehen bleiben und musste innerhalb einer Frist von einem Jahr angepasst werden.
Die 8. Novellierung der HOAI tritt in Kraft
Am 06.11.2020 stimmte der Bundesrat dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf der Verordnung zur Änderung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) und deren Ermächtigungsgrundlage, dem Gesetz zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen (ArchLG), änderungsfrei zu.
Am 01.01.2021 trat die 8. Novelle der HOAI nun endgültig in Kraft.