Neubautrocknung: Natürliche oder technische Trocknung, was ist besser?
Warum ist die technische Trocknung eines Neubaus in Massivbauweise sinnvoll?
Mineralische Baustoffe wie Beton, Estrich und Mörtel sind pumpfähig. Damit diese Baustoffe gepumpt werden können, wird diesen entsprechend viel Wasser zugegeben, die die Baustoffe nur zu einem Teil zum Abbinden und Erlangen der geforderten Festigkeit benötigen. Der Rest ist überschüssiges Wasser, das in irgendeiner Form wieder aus dem Baukörper entweichen muss. Auch Mauerwerkssteine bringen teilweise ein gewisses Feuchtepotential mit, wenn diese verbaut werden, je nach vorheriger Lagerung. Da die Gebäudehüllen bereits während der Bauphase immer dichter werden, ist der Abtransport des überschüssigen Wassers über den Baukörper an sich kaum mehr möglich. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bauzeiten immer kürzer werden und eine „natürliche“ Trocknungszeit fast nicht mehr in Betracht kommt, beziehungsweise ignoriert wird. Daraus resultierende Schäden sind sozusagen vorprogrammiert. Schäden können in Form von
- verformten Gipskartonplatten,
- verschimmelten Gipskartonplatten oder
- eines verschimmelten Dachstuhls auftreten.
Nehmen wir beispielsweise einen Dachstuhl: Hier kann das abdampfende Überschusswasser kondensieren, was die Schimmelbildung begünstigt. Weitere Informationen finden Sie auch im Merkblatt „Maßnahmen zum Schutz von Fenstern, Außentüren und Fassaden während der Bauphase bis zur Abnahme“, welches vom VFF, dem Verband Fenster und Fassade, herausgegeben wurde.
Ein weiterer Faktor für eine schleppende Trocknung kann das Klima in Deutschland sein, welches das Entweichen des Überschusswassers aller Wahrscheinlichkeit nach nahezu unmöglich macht. Diese Aussage trifft nicht für die vergangenen zwei Jahre zu, in denen es für diese Breiten ungewöhnlich lange Hitzeperioden gab. Daher muss man die zuvor gemachte Aussage relativieren, denn Klimaforscher sagen für Deutschland langfristig ein „Mittelmeerklima“ voraus.
Wie viel Feuchtigkeit enthalten mineralische Baustoffe nach der Verarbeitung?
Ein Calciumsulfat-Fließestrich kann rund acht Liter Überschusswasser je m² enthalten, bei einer Einbaustärke von circa 4 - 5 cm.
Rechenbeispiel
Bei einem Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 120 m² (Estrichfläche) würden 960 Liter Wasser aus dem Estrich frei werden.
Für einen Gipsputz trifft in etwa dasselbe zu, er hat zwar eine wesentlich geringere Einbaustärke, dafür jedoch das dreifache an Fläche. So kommen wir nur für Estrich und Gipsputz auf die unvorstellbare Menge von circa 2.000 Liter überschüssigen Wassers. Hinzu kämen dann noch andere mineralische Baustoffe, die einen gewissen Feuchteanteil mitbringen. Grob und eher vorsichtig geschätzt, spricht man bei dem genannten Einfamilienhaus von circa 3.000 Liter Wasser, oder Wasserdampf, der auf irgendeine Art und Weise aus dem Baukörper entweichen muss.
Wie viel Zeit ist für die Neubautrocknung zu veranschlagen?
Zur Trocknung mineralischer Baustoffe wird gerne eine Faustformel verwendet, die wie folgt lautet:
1 Zentimeter mineralischer Baustoff benötigt zur Trocknung 1 Woche.
Das gilt bis zu einer Schichtstärke von ca. 4 cm. Mehrstärken werden quadriert und hinzugerechnet. Dass diese Faustformel die tatsächliche Trocknungszeit widerspiegelt, zeigen die Erfahrungen in der Praxis immer wieder.
Rechenbeispiel
Ein Estrich ist 6 cm stark. 4 cm dauern 4 Wochen, die verbleibenden 2 cm werden quadriert (2 x 2 = 4) hinzuaddiert, das heißt: Der 6 cm dicke Estrich würde auf „natürlichem“ Wege 8 Wochen trocknen. Und das auch nur unter der Voraussetzung guter klimatischer Bedingungen und diszipliniertem Lüften.
Bei einer Betondecke, die 16 cm stark ist wird die gleiche Faustformel angewandt. Die ersten 4 cm benötigen also wieder 4 Wochen, die verbleibenden 12 cm werden wieder quadriert und benötigen damit sage und schreibe 144 Wochen. Kumuliert bedeutet das, dass die 16 cm dicke Betondecke 148 Wochen, was fast 3 Jahren entspricht, für die vollständige Trocknung benötigen würde.
Welche Methoden der Neubautrocknung gibt es?
Die einfachste Methode, Neubauten zu trocknen, ist das (zumal kostenlose) Lüften. Hier ist allerdings darauf zu achten, dass quergelüftet wird und es müssen bei dieser Methode selbstverständlich die klimatischen Außenbedingungen passen. Um aufzuzeigen, wie die Methode funktioniert, ist der eingangs erwähnte Calciumsulfat-Fließestrichs im Einfamilienhaus, der 960 Liter Überschusswasser mitbringt, ein gutes Beispiel.
Zur Veranschaulichung
Angenommen, die Außenluft hat eine Temperatur von 20° C und eine relative Feuchte von 50 % (effektiv 0,009 kg/m³). Nehmen wir weiter an, dass auch die Innenluft 20°C und 90 % relative Feuchte misst, was 0,015 kg absolutem Wasser je m³ entspricht. Die Differenz beträgt 0,006 kg/m³. Multipliziert man 0,006g kg/m³ mit 300 m³ Raumvolumen ergibt das 1,8 kg. Dividiert man daraufhin die 960 Liter durch die 1,8 kg, so beträgt die Anzahl der nötigen Luftwechsel 533.
Ergebnis: Vorausgesetzt, es können drei Luftwechsel pro Tag durchgeführt werden, müsste man 177 Tage lüften, um das überschüssige Wasser des Calciumsulfat-Fließestrichs aus dem Objekt zu bekommen.
An dieser Stelle passt ein Sprichwort von Konfuzius
„Das erste Haus baust du für deinen Feind, das zweite für deinen Freund und das dritte für dich selbst.“
Verglichen mit dem Lüften wäre die effektivere Methode Heizen UND Lüften, vor allem im Winter. Warme Luft nimmt bekanntlich mehr Feuchtigkeit auf, wie sich auch schon aus unseren Rechenbeispielen ablesen lässt. Wenn sich die Luft über die höhere Temperatur mit genügend Feuchtigkeit angereichert hat, muss diese Luft durch entsprechendes Lüften wieder ausgetauscht werden. Die zuvor eingesetzte Energie geht also bei jedem Lüftungsvorgang verloren. Dennoch: Im Winter ist diese Methode effektiver als das reine Lüften, denn kalte Luft kann weniger Feuchtigkeit aufnehmen, sowohl innen als auch außen.
Wo liegen die Vorteile einer technischen Trocknung?
Es empfiehlt sich also eine technische Trocknung. Diese ist unter anderem
- berechenbarer
- wetterunabhängig
- hilft, feuchtebedingte Schäden zu minimieren
- erhöht die Sicherheit des Bauablaufs
- nachhaltiger in der Energiebilanz.
Durch das vermehrte Heizen und Lüften geht unnötig Energie verloren, die zum einen vermeidbar wäre und zum anderen enorme Kosten verursacht.
Wie wirkt sich eine technische Trocknung aus?
Wenn der Estrich verlegt wurde, kann die technische Trocknung beginnen. Die „natürliche“ Trocknungszeit kann durch den richtigen Einsatz eines Kondenstrockners halbiert werden. Entscheidet man sich dazu, ergänzend zu einem Kondenstrockner auch noch einen Lüfter aufzustellen, kann die Trocknungszeit abermals um wertvolle Zeit verringert werden.
Achtung! | Beachten Sie die unterschiedlichen Anforderungen an das Material: Ein Zementestrich benötigt beispielsweise längere Zeit Feuchtigkeit, um seine Normfestigkeit zu erlangen, und zwar rund 28 Tage. Bei Calciumsulfat-Estrichen beträgt die „Wartezeit“ hingegen nur circa drei Tage. Bitte nehmen Sie Kontakt mit dem Estrichleger auf, um an dieser Stelle Konflikte zu vermeiden. |
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Bei der technischen Trocknung gilt der Merksatz: Weniger ist mehr! Eine Überdimensionierung der Baustelle mit Geräten kann kontraproduktiv sein; die Trocknungszeit wird nicht zwingend weiter reduziert. Sie können dazu auch das Handbuch des Bundesverband Estrich und Belag (kurz BEB) „Hinweise zur beschleunigten Trocknung von Calciumsulfat-Estrichen“ anfordern.
Lassen Sie sich gut beraten!
Für Fragen in Sachen Neubautrocknung stehen Ihnen die Fachfirmen an Ihrem jeweiligen Standort gerne zur Verfügung. Es macht in jedem Fall Sinn, sich vorab von einem Profi umfassend beraten zu lassen, eh Sie Zeit und Geld verschwenden oder gar die falschen Maßnahmen ergreifen.