Immobilienkrise: 4 Dinge, die die Branche jetzt bräuchte

Inhaltsverzeichnis

1. Frieden

Man kann es drehen und wenden, wie man will, aber einer der wirkungsstärksten Gründe hinter der derzeitigen Lage ist Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine.

  • Inflation,
  • nochmals verstärkter Wohnraummangel,
  • gestörte Lieferketten,
  • gestiegene Rohstoff- Energie- und Materialkosten.

Das alles und noch einiges mehr ist eine direkte oder indirekte Folge des Krieges und drückt auf die Branche. Nehmen wir die Inflation. Nachdem jahrelang niedrige Zinsen das Thema Immobilien sehr attraktiv machten, ist nunmehr das allgemeine Kostenniveau stark gestiegen. Die EZB reagierte durch Leitzinsanhebungen, was wiederum die Bauzinsen verteuert.

In dieser Situation stehen unter anderem viele fertiggestellte Immobilien und deren Besitzer vor einem Problem: Entweder machen schon die heutigen Preise sie sehr unrentabel bzw. unbezahlbar oder die Situation tritt dann ein, wenn eine Anschlussfinanzierung zu neuen, teureren Konditionen ansteht. War die erste Finanzierung schon stark „auf Kante genäht“, können höhere Zinsen das Fass zum Überlaufen bringen.

Zwar ist weiterhin nicht klar, ob das Schreckgespenst einer Blase tatsächlich real ist und, wenn ja, diese platzen wird. Zumindest einige Vorbedingungen sind allerdings gegeben. Namentlich

  • allgemeine Inflation,
  • stark gestiegene Immobilienpreise,
  • höhere Nachfrage als Angebot und
  • geringe Bautätigkeit.

Zu einer echten Blase gehört zwar noch mehr, doch diese Faktoren sind derzeit vorhanden – und die meisten Dinge würden durch einen Frieden in der Ukraine von selbst oder durch die Friedensauswirkungen sofort abgemildert oder gänzlich abgestellt werden.

2. Wenigstens ausgesetzte Immobiliensteuern

Egal ob beim Grunderwerb, beim Erben oder beim Verschenken: Sobald Immobilien den Besitzer wechseln, hält der Staat automatisch die Hand auf und verlangt teils enorme Mengen an Steuern. Hinzu kommen bei vielen Projekten noch 19 Prozent Mehrwertsteuer, die sowohl auf Materialien als auch Handwerkerleistungen zu erbringen sind.

Von oft schwerverständlichen Kosten wie etwa die für Grundbucheinträge oder -änderungen ganz zu schweigen – zirka 1 Prozent des Objektpreises entfällt auf den Notar, weitere 0,5 Prozent gehen ans Amt. Letzteres macht bei einem 500.000-Euro-Projekt allein 2.500 Euro für wenig mehr als die Eingabe einiger Daten in einen Computer. All das macht jede Form von Bau-, Kauf- und Umbautätigkeit extrem teuer. Insbesondere vor dem Hintergrund gestiegener Zinsen und Inflation. Nicht wenige innerhalb der Branche würden deshalb lieber heute als morgen Kulanz seitens der Bundesregierung sehen.

Zwar geht die Denkweise von Finanzminister Lindner zum Aussetzen der Grunderwerbssteuer in die richtige Richtung, dürfte jedoch nicht genügen. Denn die derzeitigen Pläne zielen nur auf selbstgenutztes Wohneigentum ab – und schon dagegen laufen die Bundesländer Sturm. Unter anderem der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) würde lieber ein generelles, zeitlich beschränktes Aussetzen der Grunderwerbssteuer sehen, von der auch Investoren profitieren.

Die tatsächliche Ideallösung dürfte jedoch wohl darin bestehen, temporär sämtliche Steuern und vergleichbare Kosten auf Immobilien auszusetzen – also sowohl Grunderwerb- als auch Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie Mehrwertsteuern auf (Um-)Bauleistungen und amtsbezogene Grundbuchgebühren.

3. Zusammengestrichene staatliche Bauvorgaben

Schon im Frühherbst 2019 veröffentlichte die Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (ARGE) einen Forschungsbericht über die Auswirkungen staatlicher Energiestandards auf die Baukosten und Energieeffizienz. Aus dem Fazit:

[…] Bei ambitionierten energetischen Standards steigen die Kosten

aufgrund des hohen baukonstruktiven und anlagentechnischen

Aufwandes vielmehr exponentiell an, während die Kurve des möglichen

Einsparpotenzials beim Energieverbrauch immer weiter abflacht. […]

Ein Papier der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags stützt sich unter anderem auf diese Kurzstudie.

Zahlreiche ähnliche Arbeiten kommen zu vergleichbaren Ergebnissen. Tenor: Viele frühe Maßnahmen verteuerten zwar das Bauen, sorgten aber durch starke Energieeinsparungen für eine positive Ersparnis. Je strenger die Maßnahmen werden, desto weniger rentiert sich jedoch jede weitere Verschärfung. Für einige ist der wirtschaftliche Punkt bereits erreicht oder überschritten – weitere Einsparungen rentieren sich also wirtschaftlich nicht mehr.

Zudem kritisieren verschiedene Brancheninsider andere staatliche Vorgaben und Regularien jenseits des Energetischen. Unter anderem etwa im Bereich Barrierefreiheit, Baurecht oder Lärmschutz. Nicht zuletzt aufgrund dieser bestehenden Kostentreiber schauen viele mit Sorge auf die weitere Entwicklung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sowie die von der EU angedachte Sanierungspflicht bis 2030.

Erneut wäre es hier wünschenswert, der Staat würde angesichts der Gesamtsituation deutlich mehr Augenmaß walten lassen. Wenn schon nicht bei den energetischen Vorgaben, dann zumindest bei anderen Dingen, die Planung, Bau und Umbau von Immobilien erschweren und vor allem verteuern.

4. Erleichterte Nutzungsänderungen

Seit Beginn der Corona-Pandemie hat sich in Deutschland das Homeoffice von einer zuvor auf einige wenige Branchen und Arbeitgeber limitierten Randerscheinung zu einer der meistnachgefragten Arbeitsformen unserer Zeit entwickelt.

Allein drei Viertel aller Beschäftigten, die in der Pandemie mit Homeoffice in Kontakt kamen, wollen es wenigstens teilweise weiterhin tun – laut aktuellster Studien. Zusammen mit denjenigen, die schon zuvor Homeoffice kannten und mochten und denjenigen, die erst nach Pandemie-Ende ins Erwerbsleben kamen, ergibt das eines: Eine Menge nicht mehr benötigte Bürofläche.

Laut Ifo-Institut sind derzeit über zwölf Prozent aller Büroarbeitsplätze täglich ungenutzt. Vor der Pandemie waren es lediglich 4,6 Prozent. Einige Leerstandszahlen aus ausgesuchten deutschen Städten gemäß Jones Lang LaSalle (Werte für Q2 2023).

  • Berlin:            1,05 Mio. m²
  • Düsseldorf:    0,816 Mio. m²
  • Frankfurt:       1,07 Mio. m²
  • Hamburg:       0,692 Mio. m²
  • Köln:               0,244 Mio. m²
  • München:       1,02 Mio. m²
  • Stuttgart:        0,344 Mio. m²

Das macht summa summarum 5,236 Millionen Quadratmeter oder 523,6 Hektar Leerstand – 733 Fußballfelder, die allein in den sieben größten deutschen Städten nur in Büroimmobilien leer stehen. Rechnet man weitere Städte hinzu, die noch deutlich mehr an Attraktivität einbüßten, bedeutet das eines: Es gibt allein in Deutschlands bestehenden Büroimmobilien (ohne weitere Gewerbeimmobilien) ein gigantisches Potenzial, das wohl nie wieder für seinen ursprünglich angedachten Zweck genutzt wird.

Gleichsam sei an dieser Stelle auf den gigantischen Wohnungsmangel und den völlig unzureichenden Wohnungsneubau verwiesen. Es wäre technisch und hinsichtlich der Kosten ungleich günstiger, einfacher und schneller, derartige Immobilien in Wohnraum umzuwandeln. Laut ARGE wären bis 2025 mehr als 235.000 Wohnungen machbar.

Als Grund, warum das kaum geschieht, wird vordergründig oft angeführt, dass die Vermietung von Gewerbeimmobilien lukrativer und einfacher sei als die Wohnungsvermietung – sofern naturgemäß überhaupt ein Mieter gefunden wird.

Tatsächlich trägt jedoch einmal mehr das deutsche Baurecht den größten Schuldanteil. Denn es ist nicht einfach nur mit dem Verwaltungsakt einer Umwidmung getan. Typischerweise verlangen deutsche Baurechtsparagraphen sehr umfassende Änderungen, um aus einer Büro- eine Wohnimmobilie zu machen – oft kommen daher die Arbeiten einer Komplettentkernung des Gebäudes gleich.

Je nach Umfeld kommen die Beamten sogar oft genug zum Schluss, die Umgebung sei nicht für Wohnbedingungen geeignet; etwa aufgrund von Lärmbelästigung. Einige Städte haben zwar vereinfachte Genehmigungsverfahren aufgelegt, in der Summe behindert das Baurecht jedoch derartige Umwidmungen deutlich stärker als alles andere – weshalb es abermals sehr wünschenswert wäre, wenn diese Praxis ausgesetzt würde.

Übrigens nicht nur, um Schaden von der Immobilienbranche abzuwenden, sondern etwas gegen den massiven Wohnraummangel zu tun. Bei einem Wohnungsdefizit von fast einer Viertelmillion Einheiten sollten sämtliche Mittel genutzt werden – selbst wenn sie nicht der Idealvorstellung einer Neubauwohnung entsprechen.

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