Abfindung bei Erbverzicht – wie lässt sich bei der Übertragung des Eigenheims ein gerechter Ausgleich schaffen?

Inhaltsverzeichnis

Ist ein Verzicht auf die Erbfolge anzuraten bei gleichzeitiger Zahlung einer Abfindung?

Die Ausgangslage: Die Eltern einer Tochter und eines Sohnes sind sich mit der Tochter einig, dass ihr das Eigenheim überschrieben wird. Als Gegenleistung wird im Schenkungsvertrag festgehalten und notariell beurkundet, dass die Eltern lebenslanges Wohnungsrecht im Haus besitzen und die Tochter sich um diese im Alter kümmert, indem sie Betreuung und Pflegeleistungen bzw. äquivalente Leistungen gegenüber den Eltern erbringt, z.B. Kostenübernahme bei Fremdpflegeleistungen.

Nun sieht das Erbrecht aber vor, dass ohne weitere Regelung der Sohn Erbansprüche, insbesondere Pflichtteilsergänzungsansprüche am Vermögen der Eltern im Fall ihres Todes hat, welche die Regelung zwischen Eltern und Tochter gefährden können. Deshalb entscheiden sich die Eltern für die Lösung, mit dem Sohn einen Vertrag über einen Erb- und Pflichteilsverzicht abzuschließen und ihm für seine Zustimmung eine Abfindungssumme zu bezahlen.

Der Verzichtsvertrag hat weitreichende Folgen, denn der Sohn und dessen Abkömmlinge werden aus der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, so, als seien sie vorverstorben. Wie hoch sollte die Ausgleichszahlung sein, damit sie als angemessen und gerecht dem Sohn angeboten und begründet werden kann?

Die Höhe der Abfindung sollte alle Vor- und Nachteile berücksichtigen

Die konkrete Höhe der Abfindungssumme, welche die Eltern dem Sohn anbieten können oder wollen, orientiert sich in der notariellen Praxis zumeist am Verkehrswert der Immobilie, wobei zugleich eine Reihe von Faktoren berücksichtigt werden, die den Betrag der Ausgleichszahlung beeinflussen:

  1. Eingeschränkte Nutzung des beispielsweise 2-Familien-Eigenheims durch die Tochter während der Lebzeiten der Eltern
  2. Gesetzliches Anrecht des Sohnes auf das Erb- bzw. Pflichtteil erst nach dem Tod eines jeden Elternteils (Verzögerung der Monetarisierung)
  3. Kostenunsicherheit im Fall der Pflegebedürftigkeit der Eltern (beispielsweise Pflegeheimkosten)
  4. Eventuell erforderliche An- und Umbaumaßnahmen des Hauses, um Wohnsituation der Eltern und der Tochter zu verbessern
  5. Unterstützung der gebrechlicher werdenden Eltern durch die Tochter als geldwerte Gegenleistungen
  6. Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Tochter durch angebundene Wohnverhältnisse; Risiko von Generationenkonflikten

Zu 1. Eingeschränkte Nutzung. Weder die Eltern noch die Tochter wissen, wie lange das Wohnungsrecht beansprucht wird. Im Zeitraum des Bestehens ist der Wert der Immobilie deutlich reduziert, weil die elterliche Wohnung nicht anderweitig (z.B. zur Vermietung) genutzt werden kann. Diese Wertminderung schlägt sich natürlich auf die Höhe der Abfindungssumme nieder.

Zu 2. Gesetzliches Anrecht auf das Erb- bzw. Pflichtteil. Angesichts einer nach Meinung des Sohns zu geringen Abfindungssumme beharrt er auf dem Pflichtteilsrecht. Dieses tritt jedoch erst nach dem Tod eines jeden Elternteils ein. In diesem Fall ist nicht gesichert, dass die Erbschaft dann wesentlich höher ist als die jetzt angebotene Abfindungssumme. Demgegenüber besteht die Möglichkeit, dass der Sohn die Abfindung gewinnbringend anlegen kann und bei angenommenen 20 Jahren bis zum Eintritt des Erbfalls womöglich deutlich mehr erwirtschaftet hat als der Erb- bzw. Pflichtteil ausgemacht hätte.

Zu 3. Kostenunsicherheit im Fall der Pflegebedürftigkeit. Eine weitere Unsicherheit betrifft die gesundheitliche Entwicklung der Eltern. Auch wenn die Tochter zu Pflegeleistungen im Schenkungsvertrag verpflichtet wird und sie darauf eingeht, kann die Situation der Einweisung in ein Pflegeheim unumgänglich werden. Je nach Vermögenssituation von Vater/Mutter und Tochter kann aufgrund der hohen Pflegeheimkosten das Vermögen schnell aufgebraucht sein. Dann ist, wenn der Sohn den Pflichtteil im künftigen Erbfall vorzieht anstatt einer gegenwärtigen Abfindung zuzustimmen, u.U. kein Vermögen mehr vorhanden, sodass sein Pflichtteilsanspruch wertlos wäre.  

Hinweis Auch bei einem vollständigen Verzicht auf die Erbfolge besteht die Möglichkeit, dass der Sohn bei unzureichender Vermögenslage der Eltern und der Tochter zur Unterstützung bei der Kostenerstattung von Pflegeleistungen z.B. eines Pflegeheims vom Sozialamt herangezogen wird.

Zu 4. Eventuell erforderliche An- und Umbaumaßnahmen des Hauses. Wenn das Haus zu klein und/oder sanierungsbedürftig ist, damit die Tochter die Schenkungsvorstellungen und -forderungen des Vaters realisieren kann, muss sie ein Darlehen für die baulichen Maßnahmen aufnehmen. Dieses wird als Grundschuld ins Grundbuch eingetragen. So nimmt der Zeitwert der Immobilie durch die Belastung erst einmal ab (Zeitwert berechnen). Wenngleich eine zukünftige Wertsteigerung zu erwarten ist, nimmt diese aber nur in dem Verhältnis zu, wie die Grundschuld abgetragen wird. Auch hier ist ein Langfristprozess im Gange mit entsprechenden Unsicherheiten, die der Sohn in die Entscheidung einbeziehen sollte.

Zu 5. Geldwerte Unterstützung der Eltern durch die Tochter. Mit dem Wohnungsrecht verbindet der Vater an die Tochter auch die Erwartung, dass sie bei zunehmender Gebrechlichkeit der Eltern eine Unterstützung im täglichen Leben leistet, z.B. Einkäufe für den täglichen Bedarf, Handreichungen und Wohnungsreinigung, Transport zum Arzt bei Bedarf. Von diesen Verpflichtungen kauft sich der Sohn gewissermaßen frei, soweit er das mit seiner "moralischen" Einstellung gegenüber seinen Eltern vereinbaren kann. Jedenfalls kann auch dieser Aspekt eine Minderung der Abfindung bewirken.

Zu 6: Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Tochter. Auch davon "kauft" sich der Sohn frei. Während sich die Tochter quasi täglich um die Eltern kümmern muss, solange diese das Wohnungsrecht beanspruchen, kann der Sohn sein Leben frei gestalten. Zudem geht die Tochter das Risiko von Konflikten mit den Eltern ein, die für sie und ihre Familie erheblich belastend sein können. Dass der Sohn diesem Risiko weitgehend entgeht, ist gewissermaßen ein "geldwerter Vorteil", der sich durchaus in der Bemessung der Abfindungssumme niederschlagen kann.

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Wie hoch kann bei einer Schenkung eine Abfindung für den Verzicht auf das Pflichtteilsrecht sein?

Um die Zustimmung des Verzichtenden auf sein Pflichtteilsrecht zu erlangen, ist die Zahlung einer Abfindungssumme zu empfehlen. In der Bestimmung der Höhe gibt es keine gesetzlichen Vorgaben, das heißt, dass der individuellen Vereinbarung zwischen den Beteiligten der Schenkung überlassen ist – im vorliegenden Beispielsfall zwischen Vater und Sohn (als Verzichtendem).

Aus der anwaltlichen Praxis und Erfahrung ergeben sich zwei Berechnungsgrundlagen, die jeweils zu einem Abfindungsbetrag führen, resultierend aus:

  • Verkehrswert der Immobilie von 150.000 Euro – daraus 10% ergeben eine Abfindungssumme von 15.000 Euro
  • Verteilungsmasse 100.000 Euro und bei doppelten Pflichtteilsrecht (je 1/4 Tochter und Sohn) – ergeben für den Sohn 25.000 Euro Abfindungssumme

Beide Beträge sind keineswegs verbindlich. Der Vater kann dem Sohn jede, auch höhere Abfindungssumme anbieten, die er für gerecht und vertretbar hält. Die genannten Summen können aber als Richtschnur betrachtet werden, insbesondere unter Berücksichtigung der oben aufgeführten sechs Aspekte. Diese sollten eine faire Regelung hinsichtlich der künftigen Unwägbarkeiten für alle drei Parteien ermöglichen. In jedem Fall sollte der Sohn sich mit den Argumenten auseinandersetzen und entscheiden, was ihm lieber ist: "Der Spatz in der Hand oder die Taube auf dem Dach."

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