Wie kann man Lehm als Baustoff anwenden, welche Eigenschaften hat er?

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Alles selber machen oder lieber bauen lassen?

Puristen unter den Anhängern von Lehmbaustoffen träumen womöglich von einem Haus ganz aus Lehm gebaut. Auf die Kombination mit Holz als Stütz- und Stabilisierungselementen sollten Sie dabei allerdings nicht verzichten, schließlich wurden schon vor Jahrhunderten Häuser in dieser Bauweise errichtet, die heute noch stehen – original erhaltene Fachwerkhäuser. Dieser Traum kann durchaus Realität werden. Entweder sie kaufen ein solches Original-Fachwerkhaus und stecken mindestens denselben Kaufbetrag in die Sanierung und behutsame Modernisierung oder Sie investieren gleich in ein Fertighaus in kombinierter Lehm-Holzbauweise (die gibt es sogar als Plusenergiehäuser). Die dritte Möglichkeit ist, dass Sie einen Architekten beauftragen. Der sollte aber unbedingt mit dem Baustoff Lehm vertraut sein und seine Expertise nachweisen können.

Lehm – ein natürlicher Baustoff und so vielseitig wie kaum ein anderer

Lehm kommt in Deutschland außerordentlich oft vor, entweder als Schichtablagerung oder Ansammlung in Lehmgruben. Nicht zuletzt wegen seiner vielseitigen Verwendbarkeit hat Lehm als Baustoff eine ca. 9000-jährige Geschichte. Lehm kann je nach Anwendungsgebiet pur (z.B. als Voll-Lehmstein) genutzt werden oder mit faserhaltigen Stoffen (z.B. Stroh) mineralischen Zusatzstoffen (z.B. Sand, Ton) vermischt und weiterverarbeitet werden. Bei wahren „Naturalisten“ ist die Zugabe von Zement als Bindemittel eher verpönt.

Die Lehm-Rohmasse wird entweder direkt dem Erdboden entnommen. In der Regel wird sie jedoch als Trockenmasse von Lehmbaufirmen in Säcken bezogen.

In beiden Fällen – Feucht- oder Trockenmasse – ist Wasser für die Aufbereitung als Baustoff unverzichtbar. Direkt aus dem natürlichen Vorkommen gewonnen, ist die erforderliche Wassermenge natürlich geringer als bei Lehm-Trockenmasse. Die genau bemessene Wassermenge dient dem Aufschlämmen und Durchkneten. Nur so und mit maschineller Unterstützung (bspw. eine ausgediente Bäckerei-Knetmaschgine) erhält man die für die Baustoffherstellung erforderliche homogene Masse. Im Zuge dieser Aufbereitung können dann die gewünschten Zusatzstoffe eingebracht und mit verknetet werden. Charakteristisch für die Baustoff-Herstellung aus Lehm ist die in unseren Breiten, je nach Jahreszeit, recht lange Trocknungszeit – meist im Freien, aber regengeschützt. Deshalb ist für private Lehmbau-Doityourselfer der Winter für die Herstellung von Lehmsteinen tabu. Lehmbaufirmen lagern ihre Fertig-Baustoffe zur Trocknung meist in nach allen Seiten offenen Hallen.

Was macht Lehm als Baustoff so beliebt?

Eigentlich war Lehm nie wirklich out. Schon die Menschen der Steinzeit zogen ins neu erbaute Eigenheim aus Lehm, als sie den mangelnden Komfort ihrer Höhlenwohnungen leid waren. Seitdem zieht sich dieser universale Baustoff wie ein roter Faden durch die Menschheitsgeschichte – und zwar auf allen Kontinenten. Die Ausfachungen der Fachwerkhäuser hierzulande wurden mit Lehmsteinen gefüllt. Noch in den Aufbaujahren kurz nach dem 2. Weltkrieg griff man in Ermangelung von Zement mitunter auf Lehm als Verputzmasse zurück. Danach wurde der Naturbaustoff von gebrannten Ziegeln, Betonplatten & Co.  verdrängt. Erst mit der Rückbesinnung auf alternative, natürlichere Lebens- und  Wohnformen erhielt Lehm wieder einen Revitalisierungsschub. Die oft als „Aussteiger“ geschmähten Individualisten waren die eigentlichen Pioniere der erneuten Karriere des Lehm. Denn sie erkannten die für naturnahes Wohnen wichtigen Vorteile:

  • reines, ursprüngliches Naturprodukt
  • nahezu überall verfügbar
  • preiswerter als vergleichbare Baustoffe
  • einfach zu verarbeiten
  • äußerst vielseitig in der Anwendung
  • diffusionsoffen und Wohnraumklima regulierend 
  • lässt sich zu 100% recyceln

Die am meisten verwendeten Baustoffe aus Lehm

Sollten Sie wegen der oben genannten positiven Eigenschaften Baustoffe aus Lehm für Ihr Bauprojekt verwenden wollen, können Sie auf Fertigprodukte von zahlreichen Lehmbaufirmen zugreifen. Wenn Sie sich also nicht zu den Hardcore-Lehm-Enthusiasten zählen und in der Lehmgrube selbst das „dreckige Gold“ schürfen wollen, können Sie alle erforderlichen Zutaten bzw. Baustoffe anwendungsfertig kaufen.

Lehmsteine, für Wände und Mauern

Lehmsteine gibt es mittlerweile in großer Vielfalt hinsichtlich Größen, Zuschlagstoffen, Dichte und Gewicht sowie Eignung nach Gewerk. Sie werden entweder im Handstrich- oder Pressverfahren in Formen gepresst und die Formen zum Trocknen der Steine entfernt. Beim maschinellen Strangpressverfahren wird vom Endlosstrang Stein für Stein abgeschnitten und zur Trocknung ausgelegt.

Eine Hauptunterscheidung sind schwere Lehmsteine (auch Voll-Lehmsteine genannt) und Leichtlehmsteine.

Die schweren Lehmsteine werden auch Grünlinge genannt und sind als Industrieware zumeist starnggepresst.  Schwere Lehmsteine bestehen ausschließlich aus Baulehm, sind massiv oder auch mit Löchern versehen. Neben den schon erwähnten positiven Lehmeigenschaften bieten sie die Vorteile, dass sie gut Wärme speichern und gute Schalldämmeigenschaften aufweisen. Von schweren Lehmsteinen spricht man bei einer Rohdichte ab 1.300 kg/m3, alles darunter sind Leichtlehmsteine.   

Zur Herstellung von Leichtlehmsteinen werden der Lehmmasse mineralische und/oder natürliche Zuschlagstoffe in genau bemessenen Anteilen beigemischt, da sie bei zu wenig Lehmanteil „zerbröseln“. Durch die Zuschlagstoffe  werden Gewicht und Maßhaltigkeit positiv beeinflusst. Die meistverwendeten Zuschlagstoffe sind: Holzspäne, Strohhäcksel, Hanfschäben, Blähton. 

Leichtlehmsteine dienen insbesondere bei der Restaurierung von historischen Fachwerkwänden der Ausfachung und bieten wegen der Beimischungen eine bessere Wärmedämmwirkung als Lehmvollsteine. Allerdings ist die Geräuschdämmmung geringer.

Eine allgemein anerkannte Kategorisierung von Lehmsteinen unterscheidet nach Anwendungsklassen und gibt somit eine erste Orientierung:

1 a Verputztes, der Witterung ausgesetztes Außenmauerwerk von Sichtfachwerkwänden
1 b Durchgängig verputztes, der Witterung ausgesetztes Außenmauerwerk
2 Verkleidetes, oder anderweitig konstruktiv, witterungsgeschütztes Außenmauerwerk, Innenmauerwerk
3 Trockene Anwendung (Deckenauflagen, Stapelwände)



Je nach Anwendungsklasse zeichnen sich die Lehmsteine durch unterschiedliche Eigenschaften aus:

  • Anwendungsklasse 1: Homogene, ungelochte Vollsteine, wasser- und frostfest; mit geringem Quellverhalten;  
  • Anwendungsklasse 2: beim Mauern und Verputzen wenig Quellverhalten;  ausreichende Festigkeit; herstellungsbedingter Lochanteil bis max. 15%
  • Anwendungsklasse 3: müssen für den Anwendungszweck ausreichend fest sein; Lochanteil ist beliebig

Die hauptsächlich verwendeten Lehmstein-Formate sind:

  • NF (für Normalformat): 24,0 x 11,5 x 7,1 cm
  • DF (für Dünnformat): 24,0 x 11,5 x 5,2 cm
  • 2 DF: 24,0 x 11,5 x 11,3 cm
  • 3 DF: 24,0 x 17,5 x 11,3 cm
  • 4 DF: 24,0 x 11,5 x 23,8 cm

Da Lehmsteine einfach zu verarbeiten sind, bieten sie sich auch gut zur kostensparenden Arbeit in Eigenleistung an. 

Lehmmauermörtel, für schwere Lehmsteine und Leichtlehmsteine

Zum Vermauern von Lehmsteinen benötigen Sie Mörtel, der natürlich ebenfalls aus Lehm besteht. Unterschiede gibt es je nach Art der verwendeten Steine, entweder schweren Mauermörtel für Voll-Lehmsteine oder Leichtlehm-Mauermörtel für Leichtlehmsteine.

Lehmbauplatten, ideal für den Trockenbau

Eine noch junge, aber immer beliebter werdende Produktentwicklung ist die Lehmbauplatte. Speziell im Trockenbau gilt sie als vorteilhafte Alternative zu Gipskartonplatten, da sie alle positiven Eigenschaften des Lehms mitbringt, u.a. die sehr gute Wärme- und Feuchtigkeistregulierung. 

Angeboten werden Lehmbauplatten entweder mit einer Schilfrohrmatten-Armierung oder mit hauptsächlich Stroh- oder Holzfasern als Zuschlagstoffe. Weitere pflanzliche oder mineralische Stoffe können zusätzlich beigemischt sein.

Für Decken- und Wandverkleidungen sowie Vorsatzschalen werden Lehmbauplatten in Holzrahmen eingepasst oder auf Stahlprofile montiert. Sie können mit normalem Werkzeug bearbeitet werden und sind häufig mit Nut und Feder versehen, so dass die Herstellung und das Anbringen der Verkleidungen an Wänden und Decken recht einfach ist. Als Finish dienen Lehm-Feinputzmörtel und Lehmfarbe. 

Besonders erwähnenswert ist die Eignung der Lehmbauplatte in Kombination mit einer Wandheizung, da sich die positiven Eigenschaften des Lehms zur Schaffung eines gesunden Wohnklimas mit der gleichmäßigen, verwirbelungsfreien Wärmeabstrahlung zu einer besonders behaglichen Wohnatmosphäre verbinden.

Lehmputz, das Finish für Lehmsteinwände und -mauern

Die natürliche und ideale Ergänzung zu Lehmbauwänden ist der Lehmputz, kann aber auch in Verbindung mit traditionellen Baustoffen verwendet werden. Was Lehm generell auszeichnet – generell die Wärme und Feuchte aussgleichende sowie Wärme speichernde  Eigenschaft – bietet auch der Lehmputz. 

In den Handel kommen Lehmputze als Trockenmischungen in unterschiedlichen Körnungen als Fein - oder Strukturputz. Auch die Färbungen können aufgrund des verwendeten Rohstoffs unterschiedlich sein. Manche Hersteller bieten durch Pigmentbeimischungen in der Tockenmasse zusätzliche Farbstellungen an. Das kann man auch selber machen, indem man natürliche Farbpigmente kauft und trocken beimischt. 

Die Verarbeitung von Lehmputz ist denkbar einfach: Nach der Beimischung von Wasser  erfolgt der Auftrag mit der Kelle oder im Spritzverfahren. Nach dem Antrocknen wird mit dem Schwammbrett verrieben und geglättet. Eine eventuell gewünschte weitere Feinglättung ist mit Filz und Holzbrett sowie dem Glätter möglich.

Lehmfarben, die ganze Palette des Regenbogens

Wenn Sie ganz konsequent den natürlichen Baustoff Lehm für Decken und Wände verwendet haben, fehlt nur noch die farbige Gestaltung – ebenfalls unter Einsatz des natürlichen Grundstoffs Lehm. Dabei dürfen Sie sofort Abschied nehmen von der Vorstellung, dass es nur Erdfarben von lichtem Ocker über gebranntes Siena bis Umbra natur gibt. Nein, die Lehmwelt kann so farbig sein, wie Sie sich das wünschen. Dabei können Sie bei den verschiedenen Anbietern in aller Regel wählen, ob Sie 

  • fertiges Lehmfarbenpulver zum Anmischen mit Wasser
  • Mischungen zum Abtönen
  • organische oder anorganische Pigmente

nutzen wollen. In jedem Fall wird höchste Lichtechtheit auf der Wollskala von 7-8 angegeben. Lehmfarben sind wasserlöslich und abwaschbar, als Trockenmischung unbegrenzt haltbar, Farbreste sind ökologisch unbedenklich entsorgbar.

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