Vorfälligkeitsentschädigung: Was kostet ein vorzeitiger Ausstieg aus der Baufinanzierung?
Was verbirgt sich hinter einer Vorfälligkeitsentschädigung?
Wenn Sie Ihre Baufinanzierung vor Ablauf der vereinbarten Sollzinsbindung kündigen, geht Ihre Bank trotz ihrem Vertrauensvorschuss in Ihre Bonität leer aus. Eine Vorfälligkeitsentschädigung ist somit eine Art Schadensersatz für die Bank als Gegenzug für den Zinsschaden, der ihr durch Ihre vorzeitige Darlehensrückführung entsteht. Denn für jeden Monat, in dem Sie früher kündigen, entgehen der Bank Ihre Zinszahlungen.
Machen Sie sich vor der Kündigung allerdings schlau, wie viel Darlehen Sie noch tilgen müssen. Denn je nach Höhe kann das Vorfälligkeitsentgelt schnell mehrere zehntausend Euro ausmachen. Da eine Kündigung innerhalb der Zinsbindungsfrist von den Banken generell nicht vorgesehen ist, darf sie Ihnen den Zinsverlust als Vorfälligkeitszinsen berechnen.
Wann kann ich einen Immobilienkredit vorzeitig ablösen?
In der Regel kann eine Baufinanzierung erst zehn Jahre nach vollständiger Darlehenstilgung gekündigt werden. Diese zehn Jahre dienen Ihrer Bank als Sicherheit. Wollen Sie den Kredit vor dieser Zeit ablösen, muss es einen triftigen Kündigungsgrund geben. Zwei Gründe dürfen von der Bank nicht abgelehnt werden:
- Wenn Sie Ihr Haus verkaufen. Denn ohne Immobilie kann das Darlehen nicht mehr grundpfandrechtlich gesichert werden.
- Wenn Sie ein Darlehen bei einer anderen Bank aufnehmen mussten, weil Ihre Bank Ihnen den Wunsch auf eine Erhöhung der Kreditsumme trotz triftigem Grund verweigert hat. Triftige Gründe für eine Darlehenserhöhung sind zum Beispiel ein geplanter Anbau oder eine Modernisierung Ihrer Immobilie.
Wegen der niedrigen Bauzinsen in den vergangenen Jahren haben viele Hauskäufer Darlehen mit einer langfristigen Sollzinsbindung abgeschlossen. Clever, denn so konnten sie sich die günstigen Zinsen für eine lange Zeit sichern. Finden Sie nun eine Bank, die Ihnen einen noch günstigeren Zinssatz bietet, können Sie Ihren Immobilienkredit trotzdem nicht einfach kündigen.
Ihre Bank hat durch den mit Ihnen abgeschlossenen Vertrag das Recht, Ihren Kündigungsantrag für diesen Fall abzulehnen. Auch im Falle einer unverhofften Erbschaft können Sie Ihr Darlehen nicht einfach vorzeitig tilgen. Hierfür müssen Sie mit Ihrer Bank verhandeln und auf ihre Kulanz hoffen. Wenn diese dann doch einer Kündigung innerhalb der Zinsbindungsfrist zustimmt, kommen Kosten auf Sie zu: Zum einen müssen Sie den noch offenen Restbetrag Ihres Darlehens zurückzahlen, zum anderen fällt zusätzlich eine Vorfälligkeitsentschädigung an, die den Zinsschaden für die Bank ausgleichen soll.
Wie berechnet sich das Vorfälligkeitsentgelt?
Wie hoch die Vorfälligkeitsentschädigung an die Bank ausfällt, ist an drei Faktoren gekoppelt: die Restlaufzeit des Darlehens, die Höhe der Restschuld sowie des vereinbarten Zinssatzes und die aktuellen Bauzinsen. Obendrauf kommt noch eine Bearbeitungsgebühr, deren Höhe das Kreditinstitut selbst festlegen kann. Manche Banken verlangen bis zu mehreren hundert Euro. Vom Zinsschaden werden noch einmal die Risikokosten (zwischen 0,01 und 0,06 Prozent der Restschuld) sowie eine Verwaltungskostenersparnis abgezogen.
Ein Beispiel:
Familie Moser hat im Januar 2012 ein Darlehen für eine Wohnung in Höhe von 150.000 Euro aufgenommen mit einer Zinsbindung von 15 Jahren. Der Sollzinssatz lag damals bei 4,5 Prozent, als anfängliche Tilgung wurden zwei Prozent vereinbart. Nach sechs Jahren Laufzeit liegt die Restschuld bei 129.379,80 Euro. Jetzt hat sie von der Oma ein Haus in einem anderen Bundesland geerbt und plant, umzuziehen. Ihre Wohnung muss also vorzeitig verkauft werden. Familie Moser muss nun neben der Restschuld auch ein Vorfälligkeitsentgelt von 38.232,79 Euro an die Bank bezahlen. Eine Berechnung der Bank für eine Vorfälligkeitsentschädigung könnte so aussehen:
Zinsschaden 39.212,87 Euro
Risikoersparnis - 821,30 Euro
Verwaltungskostenersparnis - 358,78 Euro
Bearbeitungsgebühr + 200,00 Euro
Vorfälligkeitsentschädigung = 38.232,79 Euro
Kann ich die Vorfälligkeitsentschädigung durch Sondertilgung verringern?
Die Antwort ist knapp: Ja. Sondertilgungen müssen Banken bei der Berechnung der Vorfälligkeit berücksichtigen. So bestätigt es ein Urteil des Bundesgerichtshofes, wonach sich Sondertilgungen mindernd auf die Vorfälligkeit auswirken. Da Sie mit den Sondertilgungen auch den Darlehensbetrag hätten reduzieren können, kann dieses Recht Ihnen auch später nicht verwehrt werden. Somit müssen Sondertilgungsrechte aus der Berechnung genommen werden, was die Vorfälligkeitsentschädigung mindert.
Angewandt auf das Beispiel von Familie Moser hätte das folgende Auswirkungen: Hätte das Ehepaar Moser eine Sondertilgung von jährlich 10.000 Euro im Vertrag mit der Bank vereinbart, würde sich der Zinsschaden für die Bank auf rund 21.495,43 Euro reduzieren. Das mindert auch das zu zahlende Vorfälligkeitsentgelt: Mosers müssen nun nur noch 20.947,79 Euro an ihre Bank zahlen.
Wie kann ich eine Vorfälligkeitsentschädigung umgehen?
Möchten Sie Ihren Immobilienkredit vorzeitig ablösen, müssen Sie Ihrer Bank den entstandenen Zinsschaden durch Ihre vorzeitige Kündigung durch Vorfälligkeitszinsen ersetzen. Allerdings gibt es Ausnahmen:
Ausnahme 1: Die Widerrufsbelehrung in Ihrem Darlehensvertrag ist fehlerhaft
Innerhalb von 14 Tagen haben Sie das Recht, Ihren Finanzierungsvertrag ohne Konsequenzen zu kündigen. Ist die Widerrufserklärung fehlerhaft, verlängert sich diese Frist noch um ein zusätzliches Jahr. Zu typischen Fehlern zählen eine falsche oder missverständliche Fristbelehrung, kein Hinweis auf die Rechtsfolgen des Widerrufs oder wenn die Widerrufsbelehrung allgemein gehalten und nicht auf den konkreten Vertrag angepasst wurde. Achtung: Das verlängerte Widerrufsrecht gilt aber nur für Verträge, die nach dem 10. Juni 2010 abgeschlossen wurden.
Ausnahme 2: Ihre Bank kündigt den Vertrag
Wenn Ihre Bank den Darlehensvertrag vorzeitig auflöst, zum Beispiel weil Sie mit der Kreditzahlung in Verzug geraten sind, darf sie keine Vorfälligkeitszinsen verlangen.
Ausnahme 3: Sie haben einen Darlehensvertrag mit variablen Zinsen abgeschlossen
Bei einem variablen Darlehen werden die Zinssätze regelmäßig an das aktuelle Marktniveau angepasst. Deshalb gilt für diese Darlehensform eine grundsätzliche Kündigungsfrist von drei Monaten. Eine Vorfälligkeitsentschädigung entfällt.
Ausnahme 4: Der Darlehensvertrag wird einvernehmlich gekündigt
Wenn Sie Ihr aktuelles Darlehen aus einem triftigen Grund (Umbau/Modernisierung) durch ein höheres Darlehen bei derselben Bank ersetzen wollen, kann der alte Kreditvertrag einvernehmlich aufgehoben werden. Die Bank ist allerdings nicht dazu verpflichtet, dem zuzustimmen. Tut sie es aber doch, verzichtet sie damit auf die Zahlung eines Vorfälligkeitsentgelts.
Ausnahme 5: Sie nutzen Ihr Sonderkündigungsrecht
Haben Sie mit Ihrer Bank einen Vertrag mit langer Zinsbindung ausgehandelt, ist es Ihnen gestattet, von Ihrem Sonderkündigungsrecht für Ihre Baufinanzierung Gebrauch zu machen. Gemäß Paragraf 489 im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 489 BGB) ist eine Darlehenskündigung nach Ablauf der zehnjährigen Laufzeit möglich. Haben Sie Ihre Darlehenssumme also während dieser zehn Jahre vollständig abgelöst, dürfen Sie jederzeit mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten aus Ihrem Vertrag aussteigen. Die Vorfälligkeitszinsen für die Rückzahlung der Restschuld entfallen.
Ausnahme 6: Neuer Immobilienkauf
Ein Hausverkauf ist für die Bank ein zwingender Grund, eine vorzeitige Darlehenskündigung zuzulassen. Hierbei müssen Sie aber in der Regel ein Vorfälligkeitsentgelt zahlen. Es gibt allerdings zwei Ausnahmesituationen, in denen Sie die Vorfälligkeitsentschädigung umgehen können: Zum einen, wenn der Darlehensvertrag vom neuen Käufer fortgeführt wird. Und zum anderen, wenn mithilfe des Darlehens eine neue Immobilie bei derselben Bank finanziert wird. Dabei muss das neue Wohnobjekt aber mindestens den gleichen Wert wie die aktuelle Immobilie haben. Trifft eine dieser Situationen auf Sie zu, müssen Sie vermutlich lediglich eine Bearbeitungsgebühr an Ihre Bank zahlen.
Lohnt sich eine vorzeitige Kündigung für eine Umschuldung?
Es gibt Momente, in denen die vorzeitige Kündigung Ihrer Baufinanzierung sinnvoll sein könnte: Zum einen, wenn Sie zu einem Kreditgeber mit günstigerem Zinssatz wechseln wollen und diese Umschuldung sich trotz Vorfälligkeitszinsen für Sie auszahlt. Zum anderen, wenn Sie ein anderes Haus kaufen wollen. Einem Hauskauf muss Ihre Bank zustimmen, die Zustimmung zu einer vorzeitigen Kreditablösung aufgrund einer Umschuldung darf sie aber verweigern. Stimmt sie dennoch zu, ist die Frage, ob sich die frühe Tilgung des Darlehens wirklich für Sie lohnt. Wägen Sie ab, ob Sie mit der eingesparten Summe die Vorfälligkeitsentschädigung bezahlen und mit dem neuen Kredit zusätzlich Kosten sparen können. Kündigen Sie Ihr Immobiliendarlehen trotzdem nicht vorschnell, sondern treten Sie zunächst mit Ihrer Bank in Kontakt. Hier können Sie erfahren, wie hoch die Vorfälligkeitszinsen sind und wie weiter vorzugehen ist.
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