Vorweggenommene Erbfolge: Was ist bei der Schenkung des Elternhauses an die Kinder zu beachten?

Inhaltsverzeichnis

Entscheidend beim Haus überschreiben: Sollen nur ein Kind oder alle bedacht werden?

Zahlreiche Familien sind schon an Erbstreitigkeiten zerbrochen, weil der Erblasser unzureichend informiert war oder nicht schon zu Lebzeiten im Einvernehmen mit den Kindern für eine möglichst gerechte Lösung gesorgt hat.

Zweifellos mag es auch Gründe geben, bei mehreren Kindern eines davon zu bevorzugen mit dem Risiko, dass in der Familie Unfrieden entsteht.

In jedem Fall sollte der Erblasser vor einer Entscheidung der Vermögensverteilung alle Aspekte abwägen, die seine Entscheidung herbeiführen. Nicht selten spielt dabei die wichtigste Rolle, ob der Erblasser das Haus oder die Eigentumswohnung

  • exklusiv an ein Kind weitergibt oder
  • das Erbe an der Immobile gleichmäßig unter allen Kindern verteilt 

Verteilung von Erbanteilen: Entscheidungsfreiheit der Eltern über ihr Vermögen gegenüber den Kindern

Hinsichtlich der Verwendung ihres Vermögens unterliegen die Eltern keinerlei Beschränkungen. Dies gilt auch bei der Verteilung von Vermögen an die Kinder.

Vollzieht ein Elternteil aus seinem Vermögen an ein Kind eine Schenkung, wird sie dem Vermögen entzogen und geht auf das Kind mit aller Verfügungsgewalt über. Dies hat für beide natürlich steuerrechtliche Konsequenzen.

Die Verfügungshoheit über das Vermögen beinhaltet auch, dass der Schenkende beispielsweise im Schenkungsvertrag vereinbaren kann, dass im Erbfall die Schenkung bei der Verteilung des (Rest-)Vermögens unter den Geschwistern berücksichtigt, d.h. dass die noch nicht bedachten Geschwister anteilig mehr erhalten.

Hierbei ist zu beachten, dass Bestimmungen des Erblassers bezüglich der Ausgleichungspflicht in einem Schenkungsvertrag stets Vorrang vor der gesetzlichen Bestimmung haben (§ 2050 Abs. 1 BGB). Eine Ausnahme bildet das Pflichtteilsrecht.

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Wie wirkt sich die Schenkung an nur ein Kind im Erbfall auf den Pflichtteil der übrigen Erben aus?

Das Erbrecht bestimmt, dass den nächsten Angehörigen (vor allem Kinder und Ehegatten) eine Mindestbeteiligung, der Pflichtteil, am Nachlass gesetzlich zusteht. Diesen Pflichtteil kann der Erblasser einem Berechtigten nicht verweigern, auch nicht durch Enterbung. (Einschränkung der Testierfreiheit). Nur in seltenen Ausnahmefällen, beispielsweise bei bestimmten kriminellen Delikten kann der Erblasser den Pflichtteil entziehen. Die Begründung dafür ist ggf. vor Gericht zu beweisen.

Daher kann sich eine Schenkung zu Lebzeiten im Erbfall auf das Pflichtteilsrecht auswirken, wenn

  • das zu Lebzeiten beschenkte Kind im Testament von der Erbfolge ausgeschlossen wurde. Dann muss sich dieses Kind hinsichtlich des Pflichtteils die Schenkung anrechnen lassen (§ 2315 BGB), wenn dies im Schenkungsvertrag so bestimmt wurde.
  • ein Geschwister des beschenkten Kindes enterbt wurde. Das so von der Erbfolge ausgeschlossene Kind kann einen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen, sofern die Schenkung an das Geschwister innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall erfolgt ist (§2325 BGB).
  • eine Schenkung zu Lebzeiten an ein Kind nach den Bestimmungen des § 2316 Abs. 1 - 4 BGB zwingend zu einer Ausgleichung unter Geschwistern führt, damit das von der Erbfolge ausgeschlossene Kind eine Besserstellung erfährt.

Wie berechnet man den Pflichtteil an einem Erbe?

Erbberechtigte, die durch testamentarische Verfügung vom Erbe ausgeschlossen wurden, haben einen Anspruch auf den gesetzlich garantierten Pflichtteil.

Um die Höhe des Pflichtteils zu berechnen, ist in einem ersten Schritt die Berechnung des eigentlichen Erbanspruchs des Pflichtteilsberechtigten erforderlich, der seinerseits von der Höhe des Gesamterbes und von der gesetzlichen Erbquote abhängt.

Folgende Angaben sind für die Berechnung erforderlich:

  • Verwandtschaftsgrad/Beziehung des Erben zum Erblasser
  • Familienstand des Erblassers zum Todeszeitpunkt: ledig, verheiratet, geschieden, verwitwet oder eine entsprechende Rechtsstellung im Rahmen einer Lebenspartnerschaft
  • Güterstand des Erblassers zum Todeszeitpunkt: Zugewinngemeinschaft, Gütertrennung, Gütergemeinschaft
  • Anzahl der lebenden Kinder des Erblassers

Zur Berechnung des Pflichtteils ist die Pflichtteilsquote entscheidend, d.h. auf welchen Erbanteil die pflichtteilsberechtigten Person Anspruch hätte. Bei Ehegatten des/der Verstorbenen hängt die Höhe der Pflichtteilsquote vom Güterstand der Eheleute zum Todeszeitpunkt ab:

  • Zugewinngemeinschaft: Der gesetzliche Erbanspruch des überlebenden Ehegatten beträgt die Hälfte des Erbes, die Pflichtquote ein Viertel des Erbes. 
  • Gütertrennung: Hier kommt es auf die Zahl der Kinder des Verstorbenen an, da der überlebende Ehegatte und die Kinder zu gleichen Teilen erben und somit auch der Pflichtteil (jeweils die Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs) zu gleichen Teilen berechnet wird.
  • Gütergemeinschaft: Der überlebende Gatte erhält die Hälfte des Nachlasses. Weiterhin steht als gesetzlicher Erbteil dem Überlebenden die Hälfte des restlichen Erbes zu, also ein weiteres Viertel. Bei einer Enterbung steht dem überlebenden Partner ein Achtel des Erbes zu.
  • Pflichtteilsquote für die Kinder: Diese hängt wiederum von der Pflichtteilsquote des überlebenden Ehegatten ab. Der verbleibende Rest wird dann zu gleichen Teilen unter den Kindern aufgeteilt.  Sofern der Erblasser zum Todeszeitpunkt unverheiratet war, erben die Kinder zu gleichen Teilen, d.h. jeweils die Hälfte bei zwei Kindern, ein Drittel bei drei Kindern etc. Bei einer Enterbung der Kinder reduziert sich der Pflichtanteil wiederum jeweils um die Hälfte: bei zwei Kindern je ein Viertel, bei drei Kindern je ein Sechstel.

Ein wichtiger Bestandteil des Erbrechts: der Pflichtteilsergänzungsanspruch

Wenn ein Erblasser, z.B. ein Elternteil, im Zeitraum von 10 Jahren vor seinem Tod eine Schenkung vollzieht, wird der Nachlass dadurch geschmälert. Demnach reduziert sich für pflichtteilsberechtigte Personen (i.d.R. nahe Verwandte und Familienangehörige, die nicht mit einem Erbteil bedacht wurden) im Erbfall der Pflichtteil. Um diesen Personenkreis vor unbilligen finanziellen Nachteilen zu schützen, kennt das Erbrecht den § 2325 BGB, in welchem den Berechtigten ein Pflichtteilsergänzungsanspruch zugebilligt wird. Dieser führt zur Erhöhung des Pflichtanteils, der durch die Schenkung(en) in den 10 Jahren vor dem Erbfall verkleinert wurde.

Die Anspruchshöhe der Pflichtteilsergänzung reduziert sich um 10% pro Jahr. Das heißt, je länger in dem 10-Jahreszeitraum die Schenkung zurückliegt, desto geringer ist der Ergänzungsanspruch. Erfolgte die Schenkung 5 Jahre vor dem Tod des Erblassers, besteht noch ein Anspruch von 50%. Ist der Erbfall vor weniger als einem Jahr eingetreten, besteht der Anspruch zu 100%.

Eine Verjährung des Anspruchs auf Pflichtteilsergänzung tritt im Allgemeinen drei Jahre nach Kenntnisnahme ein (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB). Innerhalb dieser Frist kann der Anspruch geltend gemacht werden gegen

  • beschenkte Erben
  • beschenkte Nichterben

Hierbei ist zu beachten, dass die Verjährungsfrist des Ergänzungsanspruchs gegenüber beschenkten Erben erst zu laufen beginnt, nachdem der Berechtigte entweder von einer Schenkung oder vom Eintritt des Erbfalls (Tod des Erblassers) erfahren hat. Es ist also der Zeitpunkt der Kenntnisnahme ausschlaggebend, der auch Jahre nach dem Zeitpunkt der Schenkung oder des Todes des Erblassers liegen kann.

Erben müssen für den Pflichtteilsergänzungsanspruch eines Berechtigten aufkommen. Sie können jedoch den Anspruch aus triftigem Grund ablehnen, beispielsweise wegen Überschuldung des Nachlasses. In diesem Fall hat der beschenkte Nichterbe für den Anspruch des Berechtigten aufzukommen. Im Unterschied zu oben beginnt die dreijährige Verjährungsfrist hier schon mit Eintritt des Erbfalls und nicht erst mit Kenntnisnahme (§ 2332 BGB).

Eine erhebliche Verlängerung der Verjährungsfrist auf 30 Jahre ergibt sich durch die so genannte kenntnisunabhängige Verjährung. Demnach kann ein Pflichtteilsberechtigter auch 30 Jahre nach dem Erbfall seinen Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend machen, wenn er erst zu diesem Zeitpunkt von einer Schenkung erfährt, die sein Pflichtteil geschmälert hat. Erst danach sind erbrechtliche Ansprüche endgültig erloschen (§199 Abs. 3a BGB). 

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